Das Magazin der Friedhelm Loh Group

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Rittal und German Edge Cloud
Innovation – Rittal

Vollständig visualisieren

Fertigungsdaten sammeln, strukturieren und auswerten ist alles andere als trivial, ebenso Live-Betriebszustände zu visualisieren. Im neuen Rittal Werk in Haiger gehört dies bereits zum Alltag im Shopfloor.

Text Ulrich Kläsener, Hans-Robert Koch, Steffen Maltzan ––– Fotografie

Alles im Blick: (Titelbild) Performance-Dashboard-Systeme im Rittal Werk in Haiger machen Produktionszustände und -fortschritte sofort sichtbar.

Durch die Adern des Netzwerks fließen jeden Tag 18 Terabyte an neu erzeugten Daten. Business as usual im Rittal Werk in Haiger. Denn diese Datenmengen sind Treibstoff der hochmodernen Fertigung. Ohne sie würde Rittal seit 2019 keine 8.000 Kompaktschaltschränke und Kleingehäuse täglich fertigen können. Der Weg dorthin war allerdings kein leichter: „Digitale Transformation ist immer noch harte Pionierarbeit“, sagt dazu Markus Asch, CEO Rittal International.

So eindrucksvoll der Betrieb im Werk Haiger heute auch ist: Das Spannendste ist die Geschichte dahinter. Unterstützung bekamen die Mittelhessen von der Schwestergesellschaft German Edge Cloud (GEC). Sie ist spezialisiert auf die Digitalisierung von Fertigungsprozessen und geht einer einfachen Frage nach: Wie kann man mit Software die Fertigung effizienter gestalten? Dieter Meuser, CEO Cloud & Industrial Solutions bei GEC, bringt die Ausgangslage auf den Punkt: „Das Problem ist im Regelfall ein Sammelsurium von Maschinen und Applikationen. Hier Daten zu sammeln, ohne dass man sie auch im Kontext der gesamten Produktion versteht, macht wenig Sinn.“ Die erste Maßnahme war daher obligatorisch: GEC und Rittal bildeten Mixed Teams mit Fachkräften sowohl aus der Fertigung als auch aus der IT.

HÜRDENLAUF IN HAIGER

Gelöst wurde das Problem der Datensammlung und -verarbeitung mehrstufig. Grob skizziert werden die Daten aller Maschinen heute gesammelt, in einem Manufacturing Execution System (MES) hierarchisch strukturiert und in Industrial-Analytics-Anwendungen so gebrauchsfähig aufbereitet, dass sie der Fertigung wieder zur Verfügung gestellt werden können. Dafür hat GEC die Edge-Cloud-Lösung ONCITE entwickelt, ein einfach implementierbares Digital Production System aus Software und Hardware. So erhalten im Werk Systeminstandhalter und Arbeitsvorbereiter über ein Dashboard alle Informationen, die für ein schnelles Eingreifen im Fabrikbetrieb notwendig sind.

Die Dashboards sind das Cockpit im Kreislauf von Analytics, Alerts und Live-Berichterstattung zum Stand der Fertigung. Auf großen Monitoren wird visuell dargestellt, was 250 vernetzte und mit Sensoren bestückte Maschinen, Anlagenkomponenten und 20 Fahrerlose Transportsysteme (FTS) buchstäblich fabrizieren. Oder auch nicht. Dann aber geht es schnell, weil die Informationen zu Engpässen in der laufenden Fertigung innerhalb von Sekunden eintreffen und präzise Auswertungen bereithalten. Heute präzisiert sich der Blick auf die frühen Problemlagen. Denn Rittal und GEC sahen sich anfangs mit einem Paket unerwarteter Störungen konfrontiert.

Die inkonsistente Maschinendaten-Semantik und das Ausbalancieren von IT- und Produktionskomplexität waren zu erwarten. Aber Bottlenecks und fehlendes Material an den Anlagen bestätigten dann doch den alten Spruch vom „No pain – no gain“. Dr. Marc Sesterhenn, Geschäftsführer Operations bei Rittal, bestätigt: „Wir konnten mit ONCITE die Transparenz über den gesamten Fertigungsprozess in der engen Verzahnung von Produktion und Intralogistik deutlich erhöhen. Wir sehen sofort, wenn ein Lager vollzulaufen droht, wenn eine Linie steht, wenn es einen Rückstau gibt oder wenn die FTS zu langsam sind.“

DIGITAL MANUFACTURING

Ist das alles so gut, wie es sich anhört? „Tatsächlich können wir die Daten aus verschiedensten Quellen absaugen, im MES sammeln und hierarchisch strukturieren. Diese eher kleinvolumigen Daten werden dann mit den gesammelten Massendaten – Signale, Bild- und Sensordaten – kombiniert und als aufbereitete Produktionsdaten auf den Dashboards angezeigt“, sagt Dieter Meuser. Ob die Daten vor Ort via Edge Computing oder in der Cloud ausgewertet werden, ist unerheblich. „Wichtiger ist, dass wir über eine schnelle, performante Edge-Cloud-Technologie verfügen und man die ONCITE schrittweise um andere Software-Lösungen und neue Daten anreichern kann.“

TRANSPARENZ ÜBER ALLES

Sichtbar wird das Ergebnis in der Abbildung von Kennzahlen im Performance-Dashboard. Dieses zeigt den Produktionsfortschritt in Stückzahlen, Taktzeiten etc. sowie Engpässe via Alarm an. „Wir haben kürzlich eine Störung an der Verpackungslinie verzeichnet. Dank des Dashboard-Systems war diese innerhalb einer Minute behoben. Wir sehen sofort, wie lange sich eine Linie im Autostopp befindet, ob es offene Transportaufträge für FTS gibt und wie hoch die Stückzahlen pro Tag und pro Schicht sind“, sagt Moritz Heide, Leiter Systeminstandhaltung und Arbeitsvorbereitung im Rittal Werk Haiger, und fährt fort: „Dies gibt uns Transparenz und Steuerungsmöglichkeiten über alle Anlagen und Systeme in der Fertigung hinweg.“

ONCITE ermöglicht somit eine aktive Fertigungssteuerung. Im nächsten Schritt ist die Anbindung von SAP ERP an ONCITE geplant, damit Rittal den Auftragsvorrat visualisieren und Verfügbarkeitsinfos für Aufträge darstellen kann. „Tatsächlich ist das Werk in Haiger mit der Lösung von GEC eine Musteranwendung für die Industrie“, bestätigt Markus Asch, CEO Rittal International.

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