Das Magazin der Friedhelm Loh Group

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Stahllager nach Maß
Praxis – Stahl

Dünner Stahl für stabile Logistik

Logistik. Aus dünnem Stahlblech formt das Unternehmen Dexion extrem stabile, bis zu 30 Meter hohe Regale für tonnenschwere Lasten – und filigrane Kleinteileregale mit enormer Anwendungsvielfalt. Seinen Stahllieferanten Stahlo stellt Dexion mit kurzen Lieferzeiten und außergewöhnlich breitem Materialspektrum vor einige Herausforderungen.

Text Meinolf Droege ––– Fotografie

Eine Riesenrolle mit Zeitungspapier, Pipettenspitzen für die Medizintechnik, die neue Frontscheibe des Autos oder der Stoffballen für die nächste Kleiderkollektion – schneller und effizienter Warenumschlag ist die Voraussetzung für den wirtschaftlichen Erfolg in nahezu allen Branchen. Basis des leistungsfähigen innerbetrieblichen Materialflusses und des Handels gleichermaßen sind den indivi­duellen Anforderungen angepasste Re­galsysteme. Diese produziert Dexion, Teil der internationalen Constructor Group, am Stammsitz im hessischen Laubach und an weiteren Standorten in breiter Variantenvielfalt auf hoch automatisierten Anlagen. Schwerpunkte sind Paletten-, Schwerlastverschieb- und Fachbodenregale für unterschiedliche Branchen. So unterschiedlich die Endprodukte aussehen: Wichtigster Werkstoff für die fast ausschließlich kundenauftragsorientiert produzierten Lager- und Betriebseinrichtungen ist immer Stahl. Er ermöglicht schlanke, platzsparende und dabei hoch belastbare Konstruktionen.

„Unsere Kunden beschäftigen sich mit Logistik. Eine reibungslose Supply Chain und hohe Verfügbarkeit sind hierbei Voraussetzung für den Erfolg und werden bei allen Marktbegleitern entsprechend vorausgesetzt. Das fordern wir deshalb auch von unseren Lieferanten aus der Stahlindustrie“, sagt Gerhard Schwager, COO bei der Constructor Group. Evi Engert, Leiterin des Einkaufs, ergänzt eine prägnante Zahl: „Stahl ist bei uns allerdings nicht gleich Stahl. Aktuell haben wir etwa 280 teils sehr unterschiedliche Positionen hinsichtlich der benötigten Stahlabmessungen und Qualitäten als aktiv gelistet, davon knapp die Hälfte sogenannte Schnelldreher.“ Und das, obwohl Dexion inzwischen fast ausschließlich Bandmaterial und nur noch für Nischenprodukte Platinen und Zuschnitte verarbeitet.

Damit rühren die Verantwortlichen an einer großen Herausforderung für den Stahl-Handelspartner: Trotz der aktuell schwierigen Beschaffungslage am Stahlmarkt benötigt Dexion aufgrund der oft kurzen Auftragsvorlaufzeiten und schwankenden Mengen eine sichere Versorgung mit allen Qualitäten. Dazu kommt, dass in vielen Produkten eher unübliche Blechdicken verarbeitet werden. Der hohe Anspruch, die schnelle Verfügbarkeit aller erforderlichen Abmessungen und Qualitäten dauerhaft sicherzustellen, war Auslöser der Zusammenarbeit mit Stahlo. Nicht zuletzt die im Jahr 2016 ausgeweiteten Anti-Dumping-Maßnahmen der europäischen Regierungen haben zu einem massiven Versorgungsproblem geführt. Da die verschärften Strafzölle auch rückwirkend auf schon importierte Ware festgelegt werden können, sind viele Lieferanten zurückhaltend bei ihren Stahlimporten. Die europäischen Stahlhersteller operieren inzwischen mit Lieferzeiten jenseits von 30 Wochen bei teils unklaren Preisgestaltungen.

2,25 Millimeter Stahldicke haben nicht alle Stahlhändler vorrätig. Solche Zwischendicken, die Dexion einsetzt, sind eine Herausforderung für Stahlo, die das Unternehmen meistert.

„Dank weltweiter Beschaffungsstruktur, umfangreicher eigener Bevorratung und kundenindividuell zugeschnittener Logistikkonzepte haben wir es jedoch bereits in den ersten Monaten der Zusammenarbeit ab Mitte 2016 geschafft, nahezu alle bei uns georderten Abmessungen zeitnah zu liefern“, erklärt Stahlo Geschäftsführer Guido Spenrath. Er ist sich sicher, mit weiteren Optimierungen der Logistik zwischen Dexion und Stahlo die Lieferfähigkeit trotz der hohen Anforderungen sehr nahe an die 100 Prozent zu bringen. „Mit Kleinlieferungen haben wir angefangen, dann im ersten Quartal des laufenden Jahres schon 2.500 Tonnen gebucht.“ Und zunehmend resultiere daraus ein weiteres Geschäft mit der Dexion-Schwester in Rumänien.

280


Stahl ist nicht gleich Stahl – Aktuell hat Dexion rund 280 teils sehr unterschiedliche Positionen hinsichtlich der benötigten Stahlabmessungen und Qualitäten für die Regalfertigung gelistet.

Per Rolle in Form gebracht

Vielfache Umformungen mit Toleranzen kleiner ein Zehntel Millimeter führen zu komplexen Profilen, aus denen die tragenden Komponenten unterschiedlicher Regalanlagen entstehen. Im Dreischichtbetrieb durchlaufen die glänzenden Blechbahnen direkt vom tonnenschweren Coil verschiedene Rollformanlagen mit integrierten Prüfeinrichtungen. Dieses Herzstück der Dexion-Produktion liefert mitunter filigran anmutende, jedoch enorm steife Geometrien, die, in entsprechenden Rahmen verbaut, das Rückgrat der Regalanlagen bilden. Es ist kaum zu glauben, dass ausschließlich durch präzise Umformung aus vergleichsweise weichen Blechen derart biegesteife, bis zu 16 Meter lange Profile verschiedener Querschnitte und Dimensionen werden. Auf Kundenwunsch natürlich auch länger, schließlich ist Flexibilität gegenüber den Kunden ein wichtiges Argument im Wettbewerb. Einige dieser Profile wandern, präzise abgelängt, gleich weiter auf eine Schweißstraße, wo sie unter ständiger strenger Kontrolle kundiger Schweißer automatisch mit Haltewinkeln zu Balken und anderen Bauteilen verbunden werden. Auf der benachbarten Produktionsstraße entstehen ebenfalls in einem voll automatisierten Prozess präzise in allen Richtungen gekantete Fachböden einschließlich aller Befestigungspunkte in verschiedenen Größen und mit unterschiedlichen Tragfähigkeiten. Aus diesen und vielen weiteren Komponenten bekommen die Kunden ein Riesenpuzzle angeliefert, das vor Ort Stück für Stück schnell und passgenau gesteckt und verschraubt wird.

Vor allem die unterschiedlichen Anforderungen hinsichtlich Regallasten, Fachbreiten und -tiefen führen zu unterschiedlichen Dimensionierungen der tragenden Komponenten. „Wir verkaufen zwar Standardprodukte, aber oft in sehr kundenindividuellen Abmessungen“, fasst Gerhard Schwager das Tagesgeschäft zusammen. Wer ausschließlich DIN-Paletten mit schweren Gütern einlagert, benötigt andere Regalabmessungen als ein Kunststoffverarbeiter, der voluminöse, aber leichte Stoßfänger in seinem Lager umschlägt. Und wenn wenig Fläche für den Lagerbau zur Verfügung steht, geht es eben in die Höhe. Um in allen Branchen wettbewerbsfähig anbieten zu können, arbeitet Dexion fallweise auch mit höherfesten Stählen und Zwischendicken wie 2,25 oder 2,75 Millimetern, die nicht jeder Stahlhändler vorrätig hat. Hier war und ist Stahlo gefordert. „Neben ungewöhnlichen Maßen spielen Mindestzugfestigkeiten, vor allem aber spezielle Streckgrenzenverhältnisse und nicht zuletzt die gute Schweißbarkeit der durchweg verzinkten Qualitäten eine wichtige Rolle“, weiß Guido Spenrath.

Gemeinsam weiterentwickeln

In diesem Bereich hat Dexion Optimierungspotenzial entdeckt. Den wirtschaftlichen Einsatz neuer Stahlsorten möchte Gerhard Schwager mit seinen Konstrukteuren und Werkstoffpartner Stahlo noch intensiver diskutieren. Dabei hilft nicht nur die räumliche Nähe der beiden Unternehmen. Denn beide sehen sich als Mittelständler und arbeiten in unkomplizierten Strukturen. Und beide Seiten sind an einer langfris­tigen Zusammenarbeit interessiert, sagen Gerhard Schwager, Evi Engert und Guido Spenrath einstimmig. Dementsprechend entspannt ist – bei allen divergierenden Interessen der Beteiligten – die Diskussion. „In den Gesprächen sind bereits einige neue Puzzlestückchen entstanden, die wir zu einem Bild weiterentwickeln werden“, umreißt Gerhard Schwager das Vorgehen. Möglicherweise sinnvolle Vereinheitlichungen von Abmessungen und logistische Optimierungen zwischen Stahlhersteller und Rollformanlage sind zwei der interessanten Themen im direkten Dialog der Fachleute.

Da Dexion im eigenen Zwischenlager nur den durchschnittlichen Materialbedarf für drei, maximal vier Wochen vorhält, steht dabei die Liefersicherheit des Vormaterials immer im Fokus – zu wettbewerbsfähigen Kosten. In den vergangenen Jahren hat Stahlo durch eine breite Streuung der Quellen sehr gute Einkaufsmöglichkeiten für sich geschaffen. Regelmäßig sind die Einkäufer von Stahlo in verschiedenen Ländern vor Ort. In China oder Korea, die nicht unter Anti-Dumping fallen, waren sie bereits vor Jahren. Vor Kurzem erst waren sie in Brasilien und Mexiko, um neue Quellen zu erschließen. „Wir kaufen weltweit ein und können Material absichern. Wir bieten entsprechende Lösungen, die wir zusammen mit unseren Kunden umsetzen“, erläutert Guido Spenrath die Einkaufsstrategie. Auch bei kurzfris­tigen Bedarfen wegen Engpässen bei anderen Lieferanten oder bei speziellen Sorten findet Stahlo aufgrund des Multisourcing und eigener Bevorratung zumeist eine schnelle Lösung.

Planung und Bau von Lagereinrichtungen sind kein Tagesgeschäft. Trotzdem bestellen Kunden auch individuell konfigurierte Systeme mit tendenziell weiter sinkenden Lieferfristen bei Dexion. Dem folgt das Unternehmen und passt die eigene Beschaffungs- und Produktionslogistik beständig an. Stahlo ist ein Partner, mit dem Kosten und Termine auch in Zukunft unter Kontrolle gehalten werden. Damit Amazon und Co., Ikea und dem Baumarkt um die Ecke auch in Zukunft die Lagerflächen nicht ausgehen.

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