Wird grüner Stahl tatsächlich großflächig kommen?

Bislang fehlen die entsprechenden politischen Rahmenbedingungen. Diese müssten jetzt auf den Weg gebracht werden, indem unter anderem das Handlungskonzept Stahl der Bundesregierung vom Sommer letzten Jahres konsequent umgesetzt wird und der Green Deal der EU eine industriepolitische Perspektive erhält. Vor dem Hintergrund der Mammutaufgabe der Transformation in Richtung grüner Stahlerzeugungsverfahren ist es zudem unverzichtbar, die Frage zu klären, wie internationale Wettbewerbsnachteile für die Stahlindustrie in Deutschland und Europa wirkungsvoll verhindert werden können, um Carbon Leakage, die Verlagerung von energieintensiver Produktion und Emissionen in andere Regionen der Welt mit weniger strikten Klimaschutzauflagen, zu vermeiden.

Welche Auswirkungen hat die Transformation zu grünem Stahl – für die Stahlindustrie, aber auch für die Industrieproduktion insgesamt sowie gesellschaftlich?

Mit der Umstellung eines Drittels der Primärstahlproduktion in Deutschland von der Hochofen-Konverter-Route auf wasserstoffbasierte Verfahren ließen sich bereits bis 2030 CO2-Einsparungen bis zu 30 Prozent gegenüber 2018 erzielen. Ein zweiter Baustein für eine klimaneutrale Stahlindustrie steht mit der schrottbasierten Elektrostahlproduktion zur Verfügung. Stahl wird über dieses Verfahren bereits heute relativ CO2-arm erzeugt. Substanzielle CO2-Reduktionen sind hier vor allem bei den indirekten Emissionen durch den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energie zu bezahlbaren Preisen möglich.

Welche Rolle spielen die der Stahlproduktion nachgelagerten Verarbeitungs- und Distributionsstufen dabei, die Transformation zu grünem Stahl erfolgreich zu gestalten?

Stahl steht am Beginn einer Vielzahl von industriellen Wertschöpfungsketten. In wichtigen stahlintensiven Investitions- und Konsumgütern wie Automobilen oder Haushaltswaren entfällt ein Großteil der Gesamtemissionen, die während des Lebenszyklus anfallen, auf den CO2-Ausstoß in der Herstellungsphase und damit auf den Materialeinsatz. Die Transformation der Stahlindustrie ist daher die Voraussetzung für eine Dekarbonisierung der gesamten Prozesskette. Funktionieren wird dies aber nur, wenn auch die weiteren Verarbeitungsstufen sowie Handel und Distribution die Transformation mit der Dekarbonisierung auch ihrer Prozesse begleiten.