Text Hans-Robert Koch ––– Fotografie
Sie stehen meist nicht an vorderster Front, sondern versteckt hinter Maschinen und Anlagen oder auf Stahlbaubühnen in den hinteren Ecken der Werkshallen: Schaltschränke. Die Großen unter ihnen sind meist nicht für das „Show-Geschäft“, sondern eher für das „Dienstleistungsgewerbe“ berufen. Schaltschränke dienen als stabiles Rückgrat für Steuerungs- und Schaltprozesse bei Maschinen und Anlagen. Sie schützen Mensch und Technik, sie schaffen Wohlfühlklima für Elektrotechnik sowie Elektronik und sorgen damit für stabile Fertigungsprozesse. Sie müssen funktionieren, nicht repräsentieren.
Im Maschinenbau zeigen Schaltschränke allerdings deutlich mehr Gesicht. Dort tauchen sie auch neben den Maschinen oder als integrierte Maschinenkomponenten in ihnen auf – mit ganz neuen Aufgaben: Mithilfe von Bedien- Displays an Türen und Seitenwänden oder dank angekoppelter Bedien- und Tragarmsysteme werden sie zu „Assistenten“ des Maschinenbedieners.
BESSERE OPTIK, WENIGER KOSTEN
Eine weitere Entwicklungsstufe beim Einsatz von Schaltschränken zeigt der Sondermaschinenbauer PVA TePla. In seiner großen, lichtdurchfluteten Fertigungshalle in Wettenberg bei Gießen prägen Schaltschränke das Bild von Maschinen. So nutzt der Vakuum-Spezialist etwa zur kompletten Einhausung seiner Wärmebehandlungsöfen MOV 743 seit vielen Jahren Schaltschranktechnik von Rittal – und seit 2019 das neue VX25 Systemprogramm.
„Mit dem Schaltschranksystem von Rittal können wir hochindustrielle Fertigungsanlagen in einem schicken Design bauen, sodass sie nicht mehr nach Industrie und Großfertigung aussehen. Es sind Anlagen, die man quasi ins Wohnzimmer stellen kann“, erklärt Martin Kaiser, Geschäftsführer des Steuerungs- und Schaltanlagenbauers PVA Control GmbH.
Die Idee dazu kam indirekt von außen: Ein langjähriger Kunde wollte die Maschinen von PVA in einem Showroom vor Kunden präsentierten und hatte deshalb einen Blechschlosser gebeten, eine optisch ansprechende „Verpackungslösung“ zu bauen. Als Kaiser zufällig davon erfuhr, war dies der Moment zur Entwicklung eines neuen Einhausungskonzeptes. Der Grundgedanke: Die Optik von einzelnen Schaltschränken, welche ohnehin fester Bestandteil der Anlage sind, wird über die gesamte Anlage und deren Einhausung erweitert. „Wir waren damals überzeugt – und sind es bis heute –, dass die Einhausung einer Maschine mit Schaltschränken in einer Flucht durch ein einheitliches Äußeres eine sehr schöne Optik ergibt, die in das Gesamtbild mit anderen Schaltanlagen passt“, sagt Kaiser. „Dann haben wir es einfach ausprobiert und waren doppelt überrascht: zum einen, weil die technische Umsetzung gut funktionierte, und zum anderen, weil wir mit dem Schaltschrankkonzept etwa um die Hälfte günstiger lagen als bei einer Einhausung, die wir extern bauen lassen.“
DEUTLICH SCHNELLER
Der Grund sind deutlich kürzere Montagezeiten. Bei den herkömmlichen Einhausungslösungen für PVA Control handelt es sich meist um individuelle, zeitaufwendige Sonderanfertigungen durch externe Unternehmen. Zu Beginn werden häufig Pfosten aufgestellt, an denen die je nach Anforderung unterschiedliche Beplankung angebracht wird, ehe die Pulverbeschichtung folgt. Weil die Wettenberger die Vorteile eines Schaltschrank-Baukastensystems für den Aufbau ihrer Einhausungen nutzen, sind sie schneller und flexibler. „Wir haben die Einhausung in der Regel in zwei Tagen fertig“, erzählt der Geschäftsführer.
Steht die mechanische Konstruktion der Maschine, wird definiert, wie die Anlage aussehen soll und wie groß die Einhausung sein muss. Hierbei greift PVA Control auf Standardkomponenten zurück und arbeitet mit dem Rittal Schaltschrankraster der 1.000 mm und 800 mm breiten Schränke. Bei der Einhausung der MOV 743 kommen zwölf Schaltschränke zum Einsatz. Ziel ist es, sie so anzuordnen, dass eine durchgängige Einhausung entsteht mit Türen und Seitenwänden an genau den Stellen, wo sie gebraucht werden – etwa Türen dort, wo ein Zugang zur Anlage für Service-Einsätze erforderlich ist.
Von Vorteil sind für den Schaltanlagenbauer zum einen die einfache, schnelle Bestellung von Schrank und Zubehör aus dem Rittal Handbuch bzw. Onlineshop und die damit verbundenen Kosteneinsparungen durch die günstigeren Serienartikel. Zum anderen profitiert PVA Control von den vielfältigen Montagefunktionen der Rittal Schaltschränke. „Wir haben durch die Schaltschrank-Rahmenprofileund das Zubehör des VX25 überall Montagemöglichkeiten zur Verfügung, mit denen wir im Anlagenbau etwa Rohrhalterungen oder Kabelabfangungen einfach anbringen können“, so der Geschäftsführer. Ein richtiger Tempomacher sei die einfache Blechbearbeitung von Flachteilen wie Türen und Seitenwänden, z. B. wenn Bohrungen oder Aussparungen für Filterlüfter notwendig werden. „Wir stellen die Flachteile einfach in das Bearbeitungscenter Perforex BC von Rittal und führen die Bohrungen automatisiert durch.“
Ein weiterer Vorteil ist, dass sich die Einhausungstechnik „Schaltschrank“ ideal in die Entwicklung der Anlage integrieren lässt: So wächst die Einhausung mit dem Maschinenbau. Sobald die Anlage mechanisch vormontiert ist, gibt es immer wieder einen Zeitpunkt, wo ein Schrank an einer bestimmten Stelle benötigt wird, um Montagen für Kabelabfangungen oder -führungen vorzunehmen, z. B. wenn Kabelkanäle auf dem Dach der Einhausung, sprich Schränke, geführt werden müssen. „Wenn das lange dauert, ist das eine Katastrophe, weil ein Team nicht weiterarbeiten kann“, erklärt Kaiser.
EINFACHERE MONTAGE
Auch der einfache Ein- und Ausbau von Schaltschranktüren und -seitenwänden trägt dazu bei, dass sich die Montagezeit insgesamt verkürzt. Steht die Anlage mechanisch in Grundzügen – und damit verbunden die Schaltschrankrahmen als Einhausung –, lassen sich bei der Kundenabnahme im Handumdrehen die Türen und Seitenwände – die Einkleidung der Anlage – montieren. Das VX25 Schaltschranksystem ermöglicht eine Ein-Mann-Montage komplett ohne Werkzeug. Die Tür wird einfach in das Scharnier eingehängt. „Die Türen und Seitenwände sind bei unseren Anlagen in der Regel in einer Stunde eingehängt.“ Auf- und Abbau der gesamten Anlage wäre für PVA TePla ohne das Baukastensystem erheblich schwieriger. „Die Teile sind austauschbar. Ob die Tür nachher beim Kunden wieder an der ursprünglichen Stelle hängt oder auf der anderen Seite, ist völlig egal“, sagt Kaiser. Die Standardisierung bietet dem Anlagenbauer viele Freiheitsgrade. Auch eine weltweite Verfügbarkeit der Systemkomponenten im Reparaturfall ist ein Pluspunkt.
Auf die Frage, welche Details des VX25 am meisten überzeugen, fasst Kaiser zusammen: „Das sind die 130-Grad-Scharniere, die stabileren Bodenbleche, die vielfältigeren Möglichkeiten des neuen Sockelsystems und die Tatsache, dass der Schaltschrank insgesamt weniger Zubehörteile und weniger Lagerhaltung benötigt – und damit Kostenvorteile bringt.“