Das Magazin der Friedhelm Loh Group

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Automatisiertes Fahren bei der BMW Group
Praxis – Informationstechnologie

Boxenstopp für 16 TB Daten

Abstandsmessung und Spurhaltung – diese Funktionen entstanden vor 20 Jahren in den Köpfen der Automobilentwickler. Heute sind solche Features längst Standard in jedem Neuwagen. Bevor jedoch automatisiertes Fahren wirklich Realitätwird, sind noch unzählige Testfahrten und die Auswertung immenser Datenmengen notwendig. An diesem Ziel arbeitet die BMW Group, die in zahlreichen Testfahrten Daten sammelt und in einem Rittal IT-Container verarbeitet.


Text Patricia Späth ––– Fotografie

Es ist ein sonniger, kalter Februarmorgen. In einem Gewerbegebiet nördlich von München hebt und senkt sich die Schranke an der Ausfahrt zu einem Werksgelände im Minutentakt. Sukzessive verlassen Fahrzeuge, die es so noch nicht zu kaufen gibt und die zum Teil über die auffällige Erlkönig-Lackierung verfügen, den Standort des deutschen Automobilbauers BMW Group. Die Mission der Fahrer: die umfangreichen Funktionen des Autos und deren Zusammenspiel auf Herz und Nieren zu prüfen.

Und die Zukunft des automatisierten Fahrens ist für die Hersteller alles andere als trivial: Denn erkennt das Auto einen Radfahrer und leitet es vorsichtshalber schon mal ein Bremsmanöver ein? Werden Straßenschilder und Geschwindigkeitsbegrenzungen korrekt identifiziert? Ertönt ein Warnsignal, wenn der Fahrer die Hände vom Lenkrad nimmt oder die Augen vor Müdigkeit zufallen? Ist dies nicht der Fall, muss Technik optimiert und erneuten Tests unterzogen werden. Sämtliche Ereignisse werden während der Fahrt aufgezeichnet – es entstehen Unmengen an Daten, die zunächst sicher gespeichert und anschließend ausgewertet werden müssen. Doch wohin mit den wertvollen Daten?

 

MIT DEN AUGEN DER KUNDEN FAHREN

Begibt sich ein Testfahrer auf Datensammlung, versetzt er sich stets in die Rolle des zukünftigen Lenkers. Es werden verschiedene Szenarien in der Fahrpraxis durchgespielt, wie die Annäherung des Fahrers an das Fahrzeug, das Einsteigen, der Start oder das Führen von Telefonaten. Die Schwerpunkte für die Testfahrten werden zu Beginn einer jeden Woche definiert, danach richten sich dann auch die Strecken, die gefahren werden. Stehen zum Beispiel Telefoniefunktionen im Fokus, werden Strecken befahren, bei denen die Netzabdeckung eher gering ist.

1 GB

Daten entstehen pro Sekunde während der Fahrt. Am Ende ist die Festplatte mit 16 TB voll.

Bei der BMW Group beginnen die Testfahrer ihre Touren stets mit dem Öffnen des Kofferraums und dem Einlegen einer Solid-State-Festplatte, die die Größe von drei VHS-Kassetten hat. Das Tagesziel liegt in der Sammlung von Daten, Daten und nochmals Daten. Für umfangreiche Einkäufe ist im Heck kein Platz, denn hier befinden sich zahlreiche Messeinheiten und Sensoren, die jedes Ereignis während der Fahrt protokollieren. Pro Sekunde entstehen 1 GB Daten, bis zum Ende der Schicht ist die Festplatte, die 16 TB Daten aufnehmen kann, zu 75 bis 100 Prozent gefüllt.

Collage

Gläsernes Auto: Über zahlreiche Sensoren werden alle möglichen Parameter während der Fahrt erfasst und auch Fehler lückenlos dokumentiert.

DATEN EINFACH SICHER PARKEN

So wie der Tag mit der Öffnung des Kofferraums beginnt, so endet er auch. Die Aufgabe der Fahrer ist es, die Festplatten aus dem Auto zu entnehmen und in ein sogenanntes Copy-Rack zu stecken. Nach einer ersten automatischen Vorauswahl werden nahezu 25 Prozent der gesammelten Daten direkt aus dem Rack über zwei 100-GB-Leitungen in das Haupt-Rechenzentrum nach München transferiert. Im sogenannten Post-Processing erfolgt die Auswertung der Messergebnisse und Optimierung der Funktionen.

Bei der Suche nach einer sicheren „Garage“ für drei Copy-Racks setzte man auf eine schlüsselfertige IT-Infrastrukturlösung, die alle Anforderungen an physische Sicherheit, Klimatisierung sowie Stromversorgung und -absicherung erfüllt. Da in den Werksgebäuden am Erprobungsstandort nicht ausreichend Platz für einen sicheren Serverraum zur Verfügung stand, entschieden sich die Experten für eine schnell zu realisierende IT-Container-Lösung im Outdoor-Bereich – mit sehr praktischen Vorteilen: Die Fahrer der Testfahrzeuge können somit direkt an das Rechenzentrum heranfahren und quasi per Boxenstopp die Datenspeicher einschieben und auslesen lassen.

SCHLÜSSELFERTIGER IT-CONTAINER

Die technische Lösung besteht aus einem schlüsselfertigen Data Center Container von Rittal, ausgerüstet mit Racks, Kühlung und unterbrechungsfreier Stromversorgung, der nur noch „Plug & Play“ ans Stromnetz angeschlossen werden musste. Auffällig im Inneren ist: Das Data Center ist mittels einer Gangeinhausung in zwei Abschnitte unterteilt. Aus Sicherheitsgründen haben die Fahrer nur Zutritt zu den Vorderseiten der Racks, wo die Datenträger komfortabel und sicher eingeschoben werden können und wo sich die Eingabefunktionen für den Datentransfer befinden. Die Rückseiten der Racks sind eingehaust und verschlossen, sodass nur autorisiertes Personal Zutritt hat und bei Schnee oder Regen keine Verschmutzung in diese sensible Technikzone gelangen kann. Mit der täglichen Datenabgabe im Data Center Container ist das Tagesziel der Testfahrer erfüllt.

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