Text Dr. Gunther Kegel ––– Fotografie
Man mag derzeit ein eher düsteres Bild der Zukunft bekommen: Die geopolitische Situation hat sich in den vergangenen Jahren verschärft, die Europawahl hat zur Stärkung der politischen Ränder geführt. Der Wirtschaftsstandort steht mehr denn je im scharfen Wettbewerb mit anderen Wirtschaftsräumen weltweit, gleichzeitig fällt die wirtschaftliche Entwicklung Europas und Deutschlands deutlich schwächer aus, als sie sein sollte und könnte.
Das sind sehr bedenkliche Entwicklungen, zumal sich für keine der Herausforderungen eine Lösung abzeichnet. Auch nicht beim Klimawandel, eines der drängendsten Themen unserer Zeit. Diese langfristige Bedrohung erfordert weiterhin hohe Investitionen auf staatlicher und privater Seite, die aktuell durch die schwache Konjunktur und den angespannten Bundeshaushalt nicht leicht zu stemmen sind. Das begünstigt den Eindruck, dass Ökonomie und Ökologie im Widerspruch zueinander stehen. Doch das Gegenteil ist richtig: Klimaschutz und Wirtschaft müssen viel stärker zusammengedacht werden. Die Mittel hierzu liefern uns die Marktwirtschaft und Unternehmen, die die Marktchancen mit Blick auf die Dekarbonisierung unserer Industriegesellschaft nutzen wollen – so haben 90 Prozent der ZVEI-Mitgliedsunternehmen bereits in Maßnahmen zur Steigerung von Energieeffizienz investiert. Aber, das zeigt die gleiche Mitgliederbefragung, die Unternehmen fühlen sich in ihrer Initiative immer mehr durch überbordende Regulierung abgewürgt.
Deshalb ist es jetzt Zeit für eine Wende – hin zu mehr Effizienz von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft, mit Blick auf die verfügbaren Ressourcen. Das Gute und Praktische ist: Wir haben für diese „Effizienzwende“ bereits hochwirksame Hebel, die wir aber auch nutzen müssen – eine möglichst durchdringende Elektrifizierung, Digitalisierung und Automatisierung aller Sektoren. Kombiniert mit einem schlauen Einsatz von Energie, gerade bei Erzeugung, Verteilung und Speicherung. Fakt ist: Erneuerbar erzeugter Strom ist der Rohstoff der Energie- und der Effizienzwende. Der jährliche Strombedarf wird sich von heute 550 TWh auf bis zu 1.200 TWh im Jahr 2045 mehr als verdoppeln. Gleichzeitig können wir durch die Nutzung von Strom über 50 Prozent unseres Primärenergiebedarfs einsparen, weitere 30 Prozent, wenn wir konsequent digitalisieren und die Sektorenkopplung vorantreiben. Daher ist der ZVEI, daher bin ich überzeugt: Die Zukunft ist elektrisch. Das ist keine Ideologie, sondern der effizienteste, sinnvollste Weg.
Die Elektro- und Digitalindustrie ist dafür ein starker Partner mit dem nötigen Know-how, der viele notwendige Technologien bereits entwickelt hat und die Innovationskraft besitzt, um große Herausforderungen anzugehen. Tiefgreifende Veränderungen brauchen aber zwei Dinge: starken Veränderungswillen und richtige Rahmenbedingungen. Deshalb muss sich auch die Politik eine Effizienzwende verordnen. Der gesamte regulatorische Rahmen muss stimmiger werden – national und auf EU-Ebene. Von der neuen EU-Kommission erwartet der ZVEI, dass sie den Fokus auf einen wettbewerbsfähigen Rahmen legt und diesen umsetzt. Regulierungen müssen gestrafft, auf Kohärenz geprüft und konsequent reduziert werden. Es ist absurd, dass denen, die vorangehen und investieren, so viele Knüppel zwischen die Beine geworfen werden. Das muss aufhören, denn es drosselt Unternehmergeist und Veränderungswillen auf Dauer. Als Richtschnur kann hier das ausgegebene Ziel der Reduktion von Berichtspflichten um 25 Prozent dienen. Damit am Ende in den Unternehmen mehr Raum bleibt für Innovation, Fortschritt und Wohlstandssicherung.
Populistische Debatten bringen uns nicht ans Ziel. Vielmehr müssen wir die Effizienz-Karte spielen, technologisch und administrativ. Gemeinsam – Politik, Industrie und Gesellschaft – im sachlichen, demokratischen und pluralistischen Diskurs. Lassen Sie uns den Blick optimistisch nach vorn richten und die Effizienzwende jetzt starten.