Das Magazin der Friedhelm Loh Group

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Sichere Datenverarbeitung in der Medizintechnik
Praxis – Informationstechnologie

Gegen Risiken und Neben­wirkungen

IT-Schutz. Medizinprodukte erfordern modernste Fertigungs­technik und eine detaillierte Dokumentation. B. Braun setzt dafür auf Industrie 4.0 – und sorgt mit einerMicro Data Center Installation von Rittal für eine pro­duktionsnahe Daten­verarbeitung in Echtzeit.

Text Martina Pump und Rebecca Lorenz ––– Fotografie

Pfleger hasten über die Flure, die Alarme auf der Intensivstation piepsen, und mit einem leisen, aber konstanten Tropfen verlässt eine Elektrolyt­lösung die Infusionsflasche neben dem Krankenbett. Nach zwölf Stunden Nahrungsverzicht, einer fünfstündigen Narkose und knapp vier Stunden auf dem OP-Tisch soll die Flüssigkeit dem frisch operierten Patienten neue Kraft geben. Enthielte sie Keime oder Verunreinigungen, hätte das lebensbedrohliche Folgen. Und doch bleibt dem Patienten in seiner hilflosen Lage nur eines: darauf zu vertrauen, dass Behälter und Flüssigkeit steril sind – und Infektionen bekämpfen, anstatt sie zu verursachen.

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Mal pro Sekunde
ist rechnerisch eine Infusionslösung von B. Braun irgendwo auf der Welt Bestandteil einer Behandlung.

Um das Vertrauen von Ärzten und Patienten hier nicht zu enttäuschen, setzt B. Braun, ein weltweit führender Hersteller von Medizintechnik- und Pharmaprodukten, bei der Fertigung der Infusionsflaschen auf Sicherheit und Sauberkeit. „Damit die Produktionsumgebung unserer Ecoflac so steril wie möglich ist, haben wir die Fertigung im Oktober letzten Jahres weitest-gehend automatisiert“, berichtet Matthias Bömer, Leiter Qualitätskontrolle bei B.Braun. Rund 50 Millionen Euro investierte das Unternehmen dafür in eine neue Fertigungsstraße nach Industrie-4.0-Prinzipien.

Vom Rohstoffverbrauch über die SPS-Prozesssteuerung bis hin zur Compliance-konformen Dokumentation sind am Standort Glandorf in Niedersachsen seitdem sämtliche Arbeitsabläufe digital miteinander vernetzt. Die Folge ist eine extrem große Datenmenge – denn die Herstellung der Medizinprodukte erfolgt nach den etablierten Richtlinien der Good Manufacturing Practice, einem Leitfaden zur Qualitätssicherung der Produktionsabläufe. „Für jede Charge speichern wir Details wie die Herkunft der Rohstoffe Wasser und Salz“, berichtet Bömer. Hinzu kommen Informationen zu relevanten Hygienevorschriften und beteiligten Mitarbeitern.

Einmal erzeugt, werden die Datensätze automatisch in einer Anwendung für das Electronic Batch Recording verarbeitet. „Dabei bilden wir die Herstellervorschriften elektronisch ab, sodass alle Prozesse und Ergebnisse vollautomatisch, transparent und gemäß den gesetzlichen Vorgaben dokumentiert werden“, erläutert Bömer. Eine manuelle Manipulation ist ausgeschlossen – eine verbesserte Sicherheit garantiert. Denn auch, weil B. Braun jede einzelne Charge bis auf die letzte Zutat zurückverfolgen kann, erfüllt das Unternehmen die strengen Anforderungen, die Ärzte, Patienten und der Gesetzgeber an die pharmazeutische Industrie stellen.

Kompakter Datensafe für hohe Ausfallsicherheit der IT

Was einfach klingt, stellte B. Braun zunächst jedoch vor ein unerwartetes Problem. „Aufgrund des Einzugs von immer mehr IT in unsere Produktionsumgebung benötigten wir eine schnell einsetzbare Lösung für eine leistungsfähige IT-Umgebung“, stellt  Werner Mielenbrink, Leitung Medienversorgung B. Braun Avitum AG im Werk Glandorf, fest. Denn das bestehende Rechenzentrum in der Firmenzentrale Melsungen war zu weit von der eigentlichen Produktion am B. Braun Standort Glandorf entfernt. „Durch die vergleichsweise hohe Latenzzeit hätte die Übertragung der Daten für einen reibungslosen Produktionsablauf zu lange gedauert“, erläutert Mielenbrink. „Aus diesem Grund haben wir uns nach langer Überlegung für eine dezentrale Lösung vor Ort entschieden.“

 

Dafür rechnete B. Braun zunächst mit sechs Serverschränken. Doch die einfache Lösung, die anfangs eingeplant war, hielt den Anforderungen an den physikalischen Schutz nicht stand. Der Grund dafür: Als Rechenzentrum sollte das ehemalige Archiv für Papierunterlagen dienen. Gegen Gefahren wie Diebstahl, Staub, korrosive Gase, Feuer und Löschwasser war dies aber nur unzureichend geschützt.

Hier kam das Micro Data Center von Rittal ins Spiel, eine Art Datensafe für IT-Systeme, das B. Braun bereits am sächsischen Standort Radeberg einsetzt. „Dort konnten wir uns vorab davon überzeugen, dass die Lösung von Rittal nicht nur flexibel ist, sondern auch ausfallsicher und ohne große bauliche Maßnahmen schnell einsetzbar“, sagt Mielenbrink. In eine Schutzhülle integriert, erlaubt das Micro Data Center den Betrieb von Server, Storage oder Netzwerk – bis hin zur Widerstandsklasse 4. Ausgestattet mit modularen Überwachungssystemen, Klimalösungen, einer Brandmelde- und Löschanlage sowie einer intelligenten Stromverteilung, erzeugt die Umhausung einen vollständigen Sicherheitsbereich um die Server-Racks. „Dieser hohe Sicherheitsstandard hat uns das nötige Vertrauen in das Micro Data Center gegeben“, stellt Mielenbrink fest.Um die Sicherheit noch weiter zu erhöhen, entschied sich B. Braun in Glandorf für eine redundante IT-Umgebung, bestehend aus IT-Racks, Kühlung, Stromverteilung, Monitoring und Brandschutz. Nebeneinander aufgestellt und miteinander verbunden, sorgen die Installationen für eine garantierte Ausfallsicherheit und den notwendigen physischen Schutz. „Weil das Rechenzentrum aus einzelnen Modulen besteht, konnten wir zunächst einen der Netzwerkschränke aufbauen“, erinnert sich Mielenbrink. Das Micro Data Center montierten die IT-Experten von Rittal anschließend um das IT-Rack herum.

Durchgängiges Monitoring

„Auf diese Weise hatten wir von Anfang an eine hohe Verfügbarkeit“, erinnert sich Mielenbrink.  „Das war uns wichtig, denn nur, wenn unsere IT-Systeme unterbrechungsfrei arbeiten, können wir kontinuierlich produzieren.“ Auch deshalb kontrolliert das Team um Mielenbrink alle wichtigen Parameter rund um den IT-Betrieb – wie etwa die Türkontakte der IT-Schränke, die unterbrechungsfreie Stromversorgung oder die Temperatur und Luftfeuchtigkeit im Inneren des Rechenzentrums – mithilfe der Monitoringlösung CMC III von Rittal. Die ebenfalls integrierte Brandmelde- und Löschanlage DET-AC löst bei kleinsten Rauchpartikeln in der Luft einen Voralarm aus, sodass die Techniker vor Ort rechtzeitig reagieren können. So lassen sich viele Brandursachen bereits im Vorfeld beseitigen.

„Für unsere hohen Anforderungen ist das Micro Data Center von Rittal die perfekte Sicherheitslösung, denn mit ihm können wir ohne komplizierte Baumaßnahmen ein sicheres und redundantes Rechenzentrum betreiben“, resümiert Mielenbrink. „Die Zusammenarbeit unserer IT-Experten mit den Technikern von Rittal hat ausgezeichnet funktioniert. Vertrauen, eine große Menge Berufserfahrung und Know-how haben dazu beigetragen, dass wir unser IT-Modernisierungsprojekt zukunftssicher umsetzen konnten.“

Zukunftssicher auch, weil sich B. Braun mit dem Micro Data Center für eine modular skalierbare Lösung entschieden hat. Sollte eines Tages ein Ausbau der Produktionsstraße anstehen und dadurch weitere IT-Ressourcen nötig werden, können die IT-Mitarbeiter die bestehende Dreier-Verkettung einfach um einen weiteren Schrank erweitern. Die notwendige Verkabelung dafür wurde bereits beim Aufbau der ersten Schränke verlegt.

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