Text Ulrich Kläsener ––– Fotografie
Das kann kein Zufall sein: Bei der Suche nach einem Leuchtturmprojekt zur Digitalisierung aller Liegenschaften der Friedhelm Loh Group fiel die Wahl auf die Zentrale von Loh Services im hessischen Haiger. Hier kam es im Frühjahr 2023 zur lupenreinen Bestandsaufnahme vor laufender Kamera: Mittels 3D-Laserscanning übertrug Cideon das Hauptgebäude der ansässigen Loh Services GmbH & Co. KG, des benachbarten Anbaus und der früheren Loh Academy aus der realen Welt in den digitalen 3D-Raum. Die rund 900 Scans erfassten in nur zwei Wochen die As-built-Situation in allen drei Gebäuden auf bis zu vier Etagen – im laufenden Verwaltungsbetrieb. Aus den Scandaten entstand das 3D-Modell, das exakt 20.413 Objekte umfasst. „Gestört hat das 3D-Laserscanning hier niemanden“, sagt Alena Jakob aus der Abteilung Sicherheit, Energie, Umwelt und Bauten von Loh Services.
DETAILLIERT. MEHRDIMENSIONAL. DIGITAL
Was technologiebedingt wenig verwundert: 3D-Laserscanning ist eine berührungslose Technologie zur präzisen Erfassung dreidimensionaler Informationen. Bei der Aufnahme steht ein Scanner im Raum, der sich um die eigene Achse dreht. Je nach gewünschtem Detaillierungsgrad dauert der Vorgang zwischen drei und sechs Minuten.
Einfach ausgedrückt, erstellt der Scanner durch die Projektion von Laserlicht auf die Objekte im Raum sogenannte Punktwolken – Millionen von präzise gemessenen XYZ-Markern, die die Position des Objekts im Raum definieren. „Die einfachste Form des digitalen Zwillings ist das geometrische Modell“, erläutert Andreas Janson, Head of Consulting AEC/BIM bei Cideon. „Wir halten die Laserscanning-Kompetenzen in der Gruppe seit Jahren schon vor, und eine Bestandsaufnahme der FLG-Gebäude war fest eingeplant. Die 3D-Aufnahme des Komplexes in Haiger war also der logische nächste Schritt.“
Da passt es gut ins Bild, dass Cideon neben der technologiegestützten Abbildung analoger Wirklichkeiten auch Autodesk-Partner ist. Das bedeutet, dass Andreas Janson und seine Kollegen mit der Autodesk Architecture, Engineering & Construction Collection (AEC) alle wichtigen CAD- und BIM-Softwarelösungen (Building Information Modeling, Gebäudeinformatonsmodell) selbst nutzen und vertreiben, die man für leistungsstarke digitale Gebäude- und Infrastrukturentwürfe braucht.
IMMER „UP TO DATE“
Andreas Janson selbst kommt aus der Sparte Fabrik- und Anlagenplanung. In diesem Feld ist das 3D-Laserscanning ganzer Produktionsumgebungen seit Jahren gängige Praxis – sei es für Kollisionskontrollen bei der Maschinenparkeinrichtung, für die Umplanung von Fertigungslinien oder als rechtlich gebotene As-built-Dokumentation in der Prozessindustrie. Warum aber jetzt ausgerechnet ein Verwaltungsgebäude? Stefan Tatsch aus dem Cideon Account Management: „Loh Services hat uns als Schwestergesellschaft damit beauftragt, da sie nach etlichen Um- und Aufbauten kein ganz aktuelles Modell des Gebäudes beibringen konnten.“ Dietrich aus der Abteilung Sicherheit, Energie, Umwelt und Bauten von Loh Services ergänzt: „Uns geht es um das Gebäude an sich: Bislang existierten nur 2D-Zeichnungen. Und wir konnten uns angesichts vieler Neu- und Anbauten nicht 100-prozentig sicher sein, dass alle Maße stimmen. Um hier ‚up to date‘ zu sein, brauchten wir ein neues Modell.“
BUILDING ONE: SMART HOME
Der Effizienzgewinn ist absehbar: „Wir können Umbauten jetzt auf Basis des Modells genauer planen, Gewerke und andere externe Dienstleister schneller organisieren und ihnen auf den Punkt genau sagen, was getan werden muss.“ Die ganzheitliche Prozesskompetenz eröffnet Loh Services (und damit auch anderen Unternehmen) ganz neue Möglichkeiten. Denn das BIM-Modell wird jetzt Schritt für Schritt noch smarter gemacht. Der Zugriff erfolgt intuitiv über ein Benutzercockpit, das jeder Fachrichtung bei entsprechender Berechtigung zur Verfügung steht.
Jakob erläutert: „Wir sind aktuell dabei, Intelligenz einzuarbeiten, indem wir digitale Raumstempel mit allen Informationen einspielen.“ Das passiert in Building One, einem digitalen Raum- und Gebäudebuch mit direkter API-Anbindung ans BIM aus ArchiCAD. „Wir können alle möglichen Infos im 3D-Modell über die Raumstempel hinterlegen: Grundflächen in Quadratmeter, die Volumina der Wand- und Fensterflächen, Türen, Ansichten, Bezeichnung der Räume, Beleuchtung, Klimatisierung, Beheizung und vieles mehr.“
NEUE DYNAMIK IN FACILITY MANAGEMENT UND INSTANDHALTUNG
Andreas Janson spinnt den Gedanken weiter: „Als nächste Stufe käme in Betracht, dieses Modell dynamisch zu gestalten, um Sensordaten anzureichern.“ Damit könne man Energieverbräuche sichtbar machen, die aktuelle Temperatur oder Luftfeuchtigkeit erfassen und das Ganze an eine Steuerung anbinden. Ist es zu warm im Raum, schaltet sich die Heizung automatisch aus, ist die Luftfeuchtigkeit im Raum zu hoch, schaltet sich die Lüftung ein. Klar ist auch: In Energiewende-Tagen wie diesen könnte auch die eigene Stromerzeugung per Photovoltaikanlage jederzeit in den digitalen Zwilling der Liegenschaft aufgenommen werden.
In der Abteilung Sicherheit, Energie, Umwelt und Bauten ist man sich im Klaren über die Möglichkeiten, die in erster Linie Latenzzeiten reduzieren und über originäres Facility Management hinausgehen. Dietrich dekliniert sie durch: „Nehmen wir an, die Instandhaltung erhält den Hinweis, dass Lampe xy in Raum 116 ausgefallen ist. Ein kurzer Klick auf den digitalen Stempel, und schon ist klar, welches Ersatzteil zur Instandsetzung mitgenommen werden muss. Es ist mit dem Programm sogar möglich, externe Firmen automatisch per Mail zu informieren, wenn beispielsweise die turnusmäßige Wartung der Drehtüren oder die Filterprüfung der Klimaanlage ansteht. Oder sich über die errechnete Fensterfläche ein Komplettangebot zur Reinigung einzuholen. Zuletzt erleichtert das 3D-Modell die notwendige Information der Feuerwehr. Sie kann auf dieser Basis bei der Einrichtung neuer Büros, bei Um- und Anbauten geeignete Laufwege ermitteln.“
Stefan Tatsch skizziert nochmals das Big Picture: „Beim Vorhaben, ein Verwaltungsgebäude über ein digitales 3D-Modell smart abzubilden, muss man die richtigen Sparringspartner zusammenbringen. Wir als Friedhelm Loh Group sind in der Lage, solch visionäre Ideen zu bespielen. Wir können das als Unternehmen tatsächlich abbilden. Das ist faszinierend.“
Es ist noch mehr, weil es genau das ist, was der Markt aktuell braucht. Unternehmen spüren, dass große Optimierungen, etwa im Bereich Ressourcen, nur noch über eine lückenlose Durchdigitalisierung auf Basis von Digitalen Zwillingen möglich sind. Stefan Tatsch konstatiert: „Natürlich ist die Digitalisierung der Liegenschaften als Idee längst im Mittelstand angekommen: Das zeigt uns eine ganze Flut an Anfragen aus dem Markt.“