Text Meinolf Droege ––– Fotografie
Herr Ritter, gut gemeint ist das Gegenteil von gut gemacht, weiß der Volksmund zu berichten. Beobachten Sie solche Tendenzen bei Kunden, gerade bei verstärkten Sparbemühungen?
Herr Ritter: Das ist sicher so, aber ebenso sicher ist das kein neues Phänomen und zumeist auch erklärbar. Auftraggeber eines neuen Kunststoffprodukts, Konstrukteure, Formenbauer, Spritzgießer oder Werkstoffanbieter, haben jeweils Spezialkenntnisse. Die werden in guter Absicht genutzt – oft aber ohne die Folgen der jeweiligen Verbesserungen auf die gesamte Wertschöpfungskette zwischen Produktidee und Serienfertigung und Logistik zu sehen.
Geben Sie uns ein Beispiel?
Ritter: Häufig sind spezielle Kunststoffe das Mittel der Wahl, wenn hohe mechanische Belastungen sicher bewältigt werden müssen. Diese Werkstoffe sind aber meist teuer und verlangen hohe Verarbeitungstemperaturen in sehr eng tolerierten Prozessen, was ebenfalls die Kosten und den CO₂-Footprint nach oben treibt. Doch mit frühzeitigen und durchdachten Designänderungen am Bauteil lassen sich eventuell Kostentreiber in den Griff bekommen, und vielleicht wird auch die Gestaltung des Spritzgusswerkzeugs einfacher.
Sie sagten, Spezialwissen allein reicht nicht aus. Wie geht LKH vor?
Ritter: Wir sind seit Langem in sehr unterschiedlichen Branchen unterwegs, wie Automobilbau, Elektrotechnik und Anlagenbau, und verfügen dadurch über ein breites Anwenderwissen und Verfahrens-Know-how. Zugute kommt uns die umfassende Werkstoffexpertise im eigenen Haus. Das hat zum erfolgreichen Abschluss vieler Werkstoff-Substitutionsprojekte von Metall zu Kunststoff oder Kunststoff-Kunststoff inklusive Konstruktionsänderung geführt – für Rittal sowie für viele weitere Kunden. Das gilt auch für Recycling-Kunststoffe. Wenn wir an einzelnen Stellschrauben drehen, können wir die Auswirkungen bei späteren Gesamtkosten sehr genau prognostizieren. Wir treiben sozusagen das Sparschwein immer über die gesamte Prozesskette.
Einer der wesentlichen Kostentreiber ist der Energieverbrauch im Prozess. Wo setzen Sie da bevorzugt an?
Ritter: Das könnte ein abendfüllender Vortrag werden (lacht). Ich greife mal zwei Punkte raus: Wir wissen exakt, bei welchen Einstellungen unsere Spritzgießmaschinen wie viel Energie verbrauchen. Anhand fundierter Daten lässt sich so bereits während der Materialauswahl und Werkzeugkonstruktion der ungefähre Energieverbrauch abschätzen. Das kann zu unkonventionellen Lösungen führen: Ein höherpreisiges Etagenwerkzeug wird bevorzugt, das aber auf einer kleineren Maschine mit geringeren Abschreibungs- und vor allem mit deutlich geringeren Energiekosten läuft.
Eine weitere Möglichkeit ist der Umstieg von Metall auf Kunststoff. Hier haben wir in den letzten Jahren interessante Projekte durchgeführt, auch für mechanisch und thermisch kritische Produkte oder solche mit sehr hohen elektrotechnischen Anforderungen. Kunststoff benötigt deutlich weniger Energie im Prozess als Metall-Druckguss und bietet mehr Möglichkeiten zur kostensparenden Funktionsintegration als Blechbauteile
Wie erleben Sie die Anforderungen Ihrer Kunden, wenn es um den CO₂-Footprint geht?
Ritter: Unsere Kunden wollen zuverlässige Aussagen zum erwarteten CO₂-Footprint neuer Produkte. Den spezifischen Energiebedarf in einer frühen Phase im Spritzgießprozess berechnen können allerdings nur wenige Unternehmen. Auch wenn wir das können – das ist aber trotzdem nur die halbe Miete. Inzwischen liegen auch für viele der von uns eingesetzten Werkstoffe entsprechende Daten vor. Deshalb gehen wir mitunter den Weg, in der Bemusterung gleich zwei Werkstoffalternativen freigeben zu lassen, zum Beispiel einen konventionellen und einen nachhaltigen Kunststoff. Das schafft Flexibilität für unsere Kunden. Je nach aktueller Kostensituation für den Kunststoff können sie schnell reagieren und sich für die Alternative entscheiden, ohne ein neues, langwieriges Freigabeverfahren durchlaufen zu müssen.