Text Dr. Jörg Lantzsch ––– Fotografie
Die Energieverbräuche transparent machen und die Haupttreiber identifizieren, an denen wir ansetzen können“, das sind die zentralen Punkte, die Martin Szilinski im Alltag beschäftigen. Seit sieben Jahren ist er bei Viega für das Energie-, Umwelt- und Arbeitssicherheitsmanagement zuständig. Das Unternehmen betreibt in Deutschland vier Fertigungsstandorte. Der größte Produktionsstandort Großheringen ist das Kompetenzzentrum für Rohrleitungssysteme. Hier fertigt das Unternehmen Rohrverbindungstechnik aus den Werkstoffen Kupfer, Stahl, Edelstahl, Messing, Kunststoff und Rotguss.
AMBITIONIERTE EINSPARZIELE
„Als Ziel für die Energieeinsparungen haben wir uns über die vergangenen fünf Jahre an den deutschen Standorten 10 Prozent vorgenommen“, sagt Andreas Brockow, Chief Supply Chain Officer bei Viega: „Und dieses Ziel haben wir deutlich übertreffen können.“ Ein wichtiger Schritt war die Errichtung von vier Blockheizkraftwerken mit integrierter Kälteerzeugung. Dies verringert nicht nur den Primärenergieverbrauch, wie Szilinski stolz berichtet: „Wir konnten außerdem pro kWh elektrischer Energie rund 30 Prozent CO2 einsparen.“ Neben den Blockheizkraftwerken wurden in den vergangenen Jahren viele weitere Maßnahmen durchgeführt: Beleuchtung, Kälteerzeugung und Druckluft waren die Felder, die nach Angaben des Energiemanagers zum Standardprogramm gehören. Nachdem diese sogenannten Low-Hanging Fruits abgeerntet waren, mussten sich Szilinski und sein Team nach weiteren Möglichkeiten für Energieeinsparungen umsehen.
Ein besonders interessantes Projekt hat Thomas Schild angestoßen, der Energie- und Umweltmanager am Standort Großheringen ist. Er hat bei einer Hausmesse von Rittal die neuen Kühlgeräte der Serie Blue e+ kennengelernt. Diese ermöglichen durch die innovative Hybridtechnologie, die herkömmliche Kompressorkühlung mit einer Heat Pipe kombiniert, bis zu 70 Prozent Energieeinsparungen im realen Betrieb.
Die Heat Pipe arbeitet besonders gut, wenn eine große Temperaturdifferenz zwischen Schaltschrank- Innenraum und Umgebung besteht, und verbraucht dabei sehr wenig Energie. Und auch das Kompressor- Kühlsystem hat durch bedarfsgerechte Regelungstechnik und energieeffiziente Antriebe eine sehr hohe Energieeffizienz.
ERGEBNISSE DER TESTSTELLUNG ÜBERZEUGEN
Im Rahmen der Markteinführung der neuen Kühlgerätegeneration hat Rittal ausgewählten Kunden angeboten, die Geräte im Rahmen einer Teststellung auf Herz und Nieren zu prüfen. In der Fertigung in Großheringen wurden daraufhin zwei Produktionsmaschinen umgerüstet. „Rittal hat die neuen Kühlgeräte installiert und mit Messtechnik ausgestattet, um die Energieverbräuche dokumentieren zu können“, erinnert sich Schild. Und ergänzt: „Die Ergebnisse waren beeindruckend: Tatsächlich war die Energieeinsparung so hoch wie von Rittal vorhergesagt.“
Dass man bei den Herstellerangaben eher skeptisch sein kann, verdeutlicht Szilinski an einem Beispiel: „Wenn bei einem Neuwagen ein Durchschnittsverbrauch von 4,5 Litern angegeben ist, weiß ich auch, dass dieser in der Realität kaum erreicht wird.“ Nach der Teststellung haben Szilinski und Schild den Werkskundendienst von Rittal mit einem Effizienzcheck an sämtlichen Kühlgeräten beauftragt. Die Ergebnisse haben gezeigt, an welchen Maschinen der Austausch der Kühlgeräte sinnvoll wäre. Letztendlich wurden 138 Geräte für den Austausch vorgesehen.
„Natürlich galt es auch, die Geschäftsführung von dieser Investition zu überzeugen“, erinnert sich Szilinski. Die Daten aus Teststellung, Effizienzcheck und Emissionseinsparung waren in diesem Zusammenhang als Argumentationshilfe enorm hilfreich. „Eine einzelne Schaltschrankklimatisierung ist ja eine relativ kleine Stellschraube. Wenn man die Einsparungen für das gesamte Werk betrachtet, hat diese Maßnahme aber eine große Wirkung“, sagt Szilinski.
RUNDUM-SORGLOS-PAKET
Eine Herausforderung bestand darin, die Umrüstung im gesamten Werk so zu planen, dass die Produktion möglichst nicht beeinträchtigt wird. Ein einzelnes Kühlgerät zu kaufen und auszutauschen, stellt kein Problem dar. „Aber der Austausch der Klimatisierung an so vielen Maschinen musste doch sehr gut geplant werden“, beschreibt Schild die aufgetretenen Bedenken. Die Umrüstung wurde im laufenden Betrieb durchgeführt. Da sich der Schaltschrank bei den meisten Maschinen außerhalb des Sicherheitsbereichs befindet, war dies kein Problem.
„Unsere Elektriker haben die Schaltschrankkühlgeräte abgeklemmt, wofür die Maschine nur kurz angehalten werden musste. Und dann hat das Team von Rittal übernommen“, sagt Schild. Ausbau der Schaltschranktür mit dem alten Kühlgerät, Erweitern des Ausschnitts in der Tür, Einbau des neuen Blue-e+-Geräts und Einbau der fertigen Tür in den Schaltschrank gingen dabei reibungslos vonstatten. Am Ende des Umbaus mussten die Elektriker lediglich das neue Kühlgerät wieder anklemmen.
Die betroffene Maschine konnte während des Umbaus, abgesehen von den beiden kurzzeitigen Unterbrechungen, in Betrieb bleiben. „Dass wir ein Rundum-sorglos-Paket des Herstellers hatten, der sich sowohl um die Lieferung der Geräte als auch um die Umrüstung und Entsorgung der Altgeräte kümmert, war für uns ein wichtiges Argument“, betont Szilinski. Mit einer Unterbrechung durch die Corona-Pandemie konnte die gesamte Umrüstung der 138 Geräte innerhalb von nur 22 Tagen durchgeführt werden.
ÜBER 600.000 KWH EINSPARUNG
Durch die Umstellung auf die innovative Hybrid-Technologie in der Schaltschrankklimatisierung spart Viega im Werk Großheringen nicht nur über 600.000 kWh elektrischer Energie pro Jahr ein, sondern reduziert damit auch die Treibhausgas-Emissionen. „Beide Faktoren zusammengenommen haben uns dazu veranlasst, auch die anderen Fertigungsstandorte in Deutschland mit Geräten der Serie Blue e+ auszustatten“, sagt Brockow.
Die komplette Umstellung auf die neue Gerätegeneration habe nach Meinung von Szilinksi auch positive Nebeneffekte etwa bei der Instandhaltung. „Als einer der Innovations- und Technologieführer unserer Branche ist es wichtig, dass wir auch bei den Kühlgeräten an allen Maschinen auf dem neuesten Stand der Technik sind“, fasst Brockow zusammen: „Eine Win-win-Situation für Viega, Rittal und die Umwelt.“