01Wie nehmen Sie als CTO von Rittal die weltweite Zunahme an regulatorischen Maßnahmen wahr?

Philipp Guth: Tatsächlich beobachten wir in den vergangenen Jahren eine starke Zunahme, und das hat aus meiner Sicht zwei Gründe: Zum einen sehen wir einen Zerfall der Weltwirtschaft in große Blöcke, die versuchen, sich durch eigene Regulierungen voneinander abzuschotten. Häufig sind das technische Vorgaben, die wiederum Einfluss auf unsere Produkte haben. Und zum anderen gewinnt das Thema ­Umwelt- und Klimaschutz immer mehr an Bedeutung. Das führt in Verbindung mit den seit jeher hohen Standards der Produktsicherheit im Vergleich zu früher zu deutlich höheren Anforderungen an unsere Produkte, und das in regional- und länderspezifischen Facetten. Also müssen wir uns sowohl in der Produktentwicklung als auch in der Produktpflege und im Service über den kompletten Lebenszyklus des Produkts – das heißt bei Bestandsprodukten – auf diese politischen Vorgaben einstellen. Das erfordert mehr Zeit und bringt höhere Kosten mit sich, weil die Zulassungsverfahren entsprechend aufwendiger sind.

02Nehmen wir das Beispiel der Kältemittelverordnung in der EU. Welche neuen „Spielregeln“ kommen auf Hersteller von Kühl- geräten wie Rittal zu?

Guth: Es geht um Kältemittel, die die Industrie schon lange einsetzt und die wir in unserem Alltag in unterschiedlichsten ­Bereichen finden, etwa in Kühlschränken, Eismaschinen oder Klimaanlagen. Und eben auch in unseren Kühlgeräten und Rückkühlanlagen für Schaltschränke, Maschinen und Rechenzentren. Die Stoffgruppe beziehungsweise die Gase dieses ­Kältemittels haben einen sehr hohen Wirkungsgrad und sind nicht brennbar – also sehr praktische und sichere Eigenschaften für den Einsatz in der Industrie. Diese sogenannten „Ewigkeitschemikalien“ werden jedoch heute zunehmend in Frage gestellt, weil sie sich in der Umwelt nicht zersetzen. Hinzu kommt die Klimaschädlichkeit dieser Stoffe, die im sehr seltenen Fall eines Austritts sehr hoch sein kann. Für uns bei ­Rittal bedeutet das: Wir richten unser unternehmerisches Handeln konsequent im Sinne des Umwelt- und Klimaschutzes aus. Und wir setzen zukünftig auch auf alternative Kälte­mittel, wie Propan, dessen Einsatz allerdings erhöhte Sicherheitsanforderungen beinhaltet. Mit diesem stofflichen Nachteil müssen wir umgehen.

03Welche Auswirkungen wird das für Kunden von Rittal haben? Welche Fragen stellen sie? Wie sehen die Antworten von Rittal aus?

Guth: Das Thema sorgt natürlich für Unruhe im Markt. Und unsere Kunden beschäftigt hauptsächlich das Thema Sicherheit. Mittlerweile gilt es als ausgemacht, dass Propan eine der besten Alternativen zu herkömmlichen Kältemitteln ist. Wir alle kennen den Umgang mit diesem Stoff, beispielsweise beim Grillen oder Campen. Aber ein brennbarer Stoff sorgt trotzdem für Unsicherheit in der Industrie, wo Gefährdungspotenziale im Maschinenumfeld minimiert werden müssen. Deshalb arbeiten wir sehr intensiv daran, diese Sorgen durch unsere Sicherheitskonzepte und technischen Lösungen zu beseitigen. Wir entwickeln dabei nicht nur sichere Technik, sondern beraten Kunden auch direkt beim Engineering von Schaltschränken, Maschinen oder ähnlichen Anwendungen bis hin zur Aufstellung der Anlage mit Blick auf die vorgeschriebene Risikobewertung vor Ort. Und dort, wo der Einsatz von Propan nicht zu empfehlen ist, gibt es alternative Lösungen, wie den Einsatz von Rückkühlern abseits der Anlage in Verbindung mit Luft-Wasser-Wärmetauschern. Kurzum: Wir gewährleisten ein Höchstmaß an Sicherheit für unsere Kunden.

04Welchen Einfluss haben weltweit unterschiedliche Vorgaben auf die Entwicklung der Rittal Produkte?

Guth: Unser Ziel ist und wird immer sein, Weltprodukte herzustellen. Diese durchlaufen nach dem Verkauf viele Stationen, der Endverbleibsort ist in der Regel nicht vorherzusehen. Wir brauchen also zwingend Geräte, die überall auf der Welt funktionieren. Deshalb ist es für uns herausfordernd, mit so vielen unterschiedlichen regionalen Anforderungen umzugehen, die sich häufig komplett unterscheiden. So ist der Worst Case denkbar, dass wir in Europa alternative Kältemittel einsetzen müssen, die in den USA noch gar nicht zugelassen sind. Geräte, die in beiden Regionen gleichermaßen funktionieren, wären damit de facto ausgeschlossen. Wir müssten an zwei Stand­orten produzieren, unsere Kunden könnten die Geräte nur in bestimmten Regionen einsetzen. Wir machen uns dafür stark, dass diese Situation nicht eintritt.

05Wie geht Rittal als global agie­­rendes Unternehmen generell mit regulatorischen Veränderungen um?

Guth: Wir verfolgen sehr genau, was weltweit regulatorisch passiert, und bauen unser Netzwerk ständig aus, um möglichst nahe dran zu sein und uns als betroffener Akteur in die Gesetzgebungsverfahren einzubringen. Das bedeutet viel Aufwand, was für uns aber keine Bürde darstellt. Denn politische Vorgaben geben in der Regel einen gesellschaftlichen Willen wieder, der immer schon Wandel herbeigeführt hat. Als verantwortungsbewusstes Unternehmen sind wir Teil dieser Gesellschaft und richten unser Handeln auch nach ihr aus, insbesondere wenn es um den Schutz unserer Umwelt und der Menschen geht. Vor diesem Hintergrund arbeiten wir bei Rittal täglich daran, die bestmöglichen Produkte und Lösungen anzubieten, um gemeinsam mit unseren Kunden in eine erfolgreiche Zukunft zu gehen.

Vielen Dank für das Gespräch!