Text Gerald Scheffels, Birgit Hagelschuer ––– Fotografie
Tschechien oder Polen? In Deutschlands Nachbarstaaten gibt es viele leistungsfähige Steuerungsund Schaltanlagenbauer. In mancher Hinsicht fertigen sie unter deutlich besseren Rahmenbedingungen: niedrigeres Lohnniveau, deutlich geringere Energiekosten oder auch weniger Regulierungsaufwand …
Warum sollte ein Gebäudeautomatisierer seine Schaltschränke also bei Hade Automation im süddeutschen Orsingen planen und auch fertigen lassen? Die Frage ist berechtigt, zumal es sich bei den Kunden oft um große Unternehmen handelt, die grenzüberschreitende Lieferketten nicht scheuen.
Die Antwort gibt Markus Klopfer, einer der beiden Geschäftsführer: „Ja, wir sind mit 24 Beschäftigten ein eher kleiner Schaltschrankbauer und arbeiten in einem Hochlohnland, aber mit qualifizierten Mitarbeitern und einem hohem Automationsgrad." Und Maik Reichle als zweiter Geschäftsführer ergänzt: „Funktionieren die Prozesse durchgängig und stehen uns entsprechende Daten zur Verfügung, können wir automatisiert und wettbewerbsfähig in Deutschland Schaltanlagen bauen. Wir arbeiten für einige Global Player, die klare Vorstellungen von ihrem Schaltschrank haben."
MIT PLANUNGSDATEN FERTIGEN
Doch wie funktioniert das in der Praxis? Zunächst startet die Projektarbeit bei Hade Automation bereits direkt auf einer Planungs-Plattform, konkret: mit Eplan. Markus Klopfer: „Idealerweise verwenden wir beim Erstellen eines Angebots die 3D-Daten aus Eplan. Wir lesen die Stückliste in unser System ein und können dann sehr präzise kalkulieren.“
Aus Sicht des Unternehmens bringt die vom Start weg durchgängige Planung auch deshalb erhebliche Wettbewerbsvorteile, weil sie die Fertigung einbezieht. So hat das Unternehmen in ein automatisiertes CNC-Bearbeitungszentrum investiert: „Wir waren damit früh dran, hatten aber auch einen echten ‚Pain Point‘: vorgefertigte Schaltschränke in vielen Varianten auf Lager, aber gefühlt nie den richtigen für den jeweiligen Kunden. Die Bearbeitung vor Ort hat uns einen echten Produktivitäts-Boost gebracht.“
Mittlerweile ist schon die zweite Maschinengeneration im Einsatz: eine Perforex-Anlage von Rittal Automation Systems zur mechanischen Bearbeitung von Schaltschränken und Flachteilen. Markus Klopfer: „Damit wird die durchgängige Planung und Fertigung noch effizienter, und wir profitieren auch vom Zusammenspiel mit Eplan. Wir haben unsere Lagerbestände drastisch reduziert und können trotzdem sehr viel schneller liefern. Die Schränke werden automatisch bearbeitet, und der jeweilige Kunde kann sich aussuchen, wo beispielsweise das Klimagerät positioniert ist.“
Während Hade Automation auf die durchgängige Schaltschrankplanung und -fertigung im eigenen Haus setzt, werden die Drähte von einem externen Dienstleister konfektioniert – ebenfalls auf der Basis von Eplan Daten.
NEUES GESCHÄFTSFELD ENERGIE
Zum Erfolgsrezept gehört auch die Offenheit für neue Aufgaben und Geschäftsfelder. Vor etwa zwei Jahren hat Hade Automation einen neuen Bereich erschlossen, wie Markus Klopfer berichtet: „Wir haben immer schon Steuerungsanlagen für die Energieerzeugung, etwa für Photovoltaik-Anlagen, geplant und gebaut – und für immer höhere Ströme. Große Energieversorger hier aus der Region sind auf der Suche nach Partnern im Schaltanlagenbau auf uns zugekommen. Sie arbeiten bewusst und gern mit kleinen Unternehmen zusammen, die schnell auf Kundenwünsche eingehen. Da können wir punkten.“
Aus Sicht von Hade Automation war es selbstverständlich, die zusätzlichen Prozesse ebenfalls in Eplan einzubinden und die direkte Verbindung von Planung und Fertigung herzustellen. Für diese Aufgabe gibt es im Eplan Portfolio das Modul „Copper“. Es ermöglicht das Planen und Visualisieren von Kupfer-Stromschienen in 3D – und die Bearbeitung der Daten in der Perforex, für die ein Stromschienen-Modul angeschafft wurde. Markus Klopfer: „Das Modul spannen wir einfach in die Maschinen ein und können unsere Rittal-Stromschienen umfassend bearbeiten, um zum Beispiel NH-Sicherungslastschaltleisten zu befestigen. Dafür können gut 50 Bohrungen pro Kupferschiene nötig sein. Die Daten schicken wir maßgenau direkt auf das Bearbeitungscenter.“
SKALIERTE AUTOMATISIERUNG
Mit diesem hohen Grad an Automatisierung widerlegt Hade Automation die landläufige Meinung, dass solche Prozesse eher für die großen Schaltschrankbauer geeignet sind. „Uns bringen die Automatisierung und die durchgängige Nutzung der Daten auf einer zentralen Plattform klare Optimierungseffekte schon bei Stückzahl 1. Das macht sich bereits am Tempo in der Fertigung fest: In der Zeit, in der wir früher einen Schaltschrank verdrahtet haben, schaffen wir jetzt zwei", so der Geschäftsführer.
Zu den aktuellen Perspektiven gehört auch die gewerkübergreifende 3D-Planung der Gebäudetechnik als BIM-Modell. „Das kommt, und wir sind vorbereitet. Für eine Pharmaproduktion im Raum München projektieren wir alles digital in BIM. Das 3D-Modell der Schaltschränke wird so in das Modell integriert, dass man virtuell die Tür aufmachen und hineinsehen kann“, so Klopfer.
Alles in allem sieht sich das Unternehmen bestens vorbereitet für die Zukunft. Eine davon wurde bereits identifiziert, wie Markus Klopfer beschreibt: „Wir bekommen – Stichwort Energiewende – viele Anfragen zur Modernisierung von Schaltanlagen der Energietechnik.“