Text Dr. Jörg Lantzsch und Hans-Robert Koch ––– Fotografie
Handwerker gibt es in unserer Familie viele, aber Elektriker hatten wir noch keinen.“ Noah Suedhues hatte einen etwas ungewöhnlichen Grund, vor drei Jahren die Ausbildung bei der Plenge GmbH in Oelde im Münsterland zu beginnen. In diesem Sommer hat er seine Ausbildung zum Elektroniker für Betriebstechnik abgeschlossen. Schon während seiner Ausbildung hat ihn das Unternehmen zu Inbetriebnahmen beim Kunden mitgenommen – für den Auszubildenden ein echter Vertrauensbeweis. „Der direkte Kundenkontakt bei der Inbetriebnahme vor Ort und die abwechslungsreichen Tätigkeiten in unserer Werkstatt haben mich begeistert“, betont der junge Mann. Als er dann am Ende seiner Ausbildung ein Angebot zur Übernahme erhalten hat, musste er auch nicht lange überlegen: „Da habe ich sofort zugesagt.“
Das Familienunternehmen Plenge GmbH aus Oelde, das mit rund 70 Mitarbeitern Projekte aus den Bereichen Elektrotechnik und Steuerungsbau realisiert, bildet über Kapazität aus. „Wenn möglich stellen wir drei oder vier Auszubildende ein, damit wir sie als Fachkräfte aus unserem Ausbildungsprogramm übernehmen können“, erzählt Wilfred Schnieder, der im Unternehmen für Personalfragen zuständig ist. „Denn fertig ausgebildete, qualifizierte Mitarbeiter sind kaum zu bekommen.“ Dazu kommt, dass sich einige fertig ausgebildete Fachkräfte im Anschluss an die Ausbildung noch zu einem Studium entschließen. Aber auch die Rekrutierung von Auszubildenden ist nicht ganz einfach. Vor 15 Jahren gingen pro Jahr noch etwa 50 Bewerbungen um eine Ausbildungsstelle ein – heute sind es nur noch rund zehn. Hinzu kommt, dass die Qualifikationen der Bewerber oft nicht den Anforderungen des Unternehmens entsprechen.
An vielen Fronten aktiv
„Nicht immer läuft es mit den Auszubildenden so gut wie mit Noah“, erzählt Nicholas Visser-Plenge, General Manager bei dem Steuerungs- und Schaltanlagenbauer. Plenge nutzt alle Möglichkeiten, um junge Menschen für eine Ausbildung zu gewinnen, und nimmt zum Beispiel an allen Ausbildungsmessen teil – nicht nur in Oelde, sondern auch in den benachbarten Städten. „Wir legen außerdem viel Wert auf ein gutes Betriebsklima, denn das sorgt für ein gutes Image des Unternehmens und lockt dadurch wiederum Bewerber an“, meint Visser-Plenge. Um die Fachkräfte zu binden, bietet das Unternehmen zahlreiche Weiterbildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten an, etwa im Bereich Hardware- und Software-Engineering. „Wenn ein Mitarbeiter engagiert ist, kann er bei uns Karriere machen“, betont Visser-Plenge und ergänzt: „Viele der Mitarbeiter, die heute in der Elektroplanung arbeiten, waren davor als Fachkräfte in der Werkstatt tätig.“
Das Problem des Fachkräftemangels ist nicht neu. Seit dem Ende der letzten Rezession, sinkt die Arbeitslosenquote in Deutschland stetig. Obwohl sie aktuell immer noch rund fünf Prozent beträgt, ist es für viele Unternehmen zunehmend schwierig, Fachkräfte zu rekrutieren. Einer der Gründe: Viele der Arbeitssuchenden haben keine ausreichende Qualifikation. Außerdem ist die Arbeitslosigkeit innerhalb Deutschlands sehr ungleichmäßig verteilt. In vielen Landkreisen in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen liegt sie bei rund zwei Prozent. Ab diesem Wert sprechen Fachleute von Vollbeschäftigung. Unternehmen haben in solchen Regionen teilweise extreme Schwierigkeiten, überhaupt Personal zu finden. Bei qualifizierten Fachkräften ist dies praktisch unmöglich.
* In Prozent; Mehrfachantworten möglich; Antwortende: 8.905 (Quelle: DIHK)
Um den Fachkräftenachwuchs zu sichern, muss um Azubis geworben werden. Unternehmen möchten Anreize für eine Ausbildung geben. Wie sie das schaffen wollen, zeigt die Grafik.
Schlechte Voraussetzungen
Besonders stark sind die Auswirkungen des Fachkräftemangels im Steuerungs- und Schaltanlagenbau. Die Unternehmen befinden sich häufig in strukturstarken Gegenden in der Nähe der Kunden aus dem Maschinen- und Anlagenbau, der chemischen Industrie oder anderen Branchen, die ebenfalls einen hohen Personalbedarf haben. „Da viele Aufträge im Steuerungs- und Schaltanlagenbau sehr kleine Losgrößen haben und individuellen Kundenspezifikationen folgen – oft ist es eine Unikatfertigung –, sind qualifizierte Mitarbeiter ein absolutes Muss“, so Visser-Plenge.
Hinzu kommt, dass in der Werkstatt immer noch viele Tätigkeiten in Handarbeit erledigt werden. In einer Untersuchung, die das Fraunhofer-Institut für Entwurfstechnik Mechatronik im Rahmen des Projekts „Digital in NRW“ durchgeführt hat, zeigt sich, dass allein die Verdrahtung eines Schaltschranks 50 Prozent der gesamten Arbeitszeit in Anspruch nimmt. Weitere personalintensive Tätigkeiten sind die mechanische Bearbeitung der Schaltschränke und das Bestücken der Montageplatten mit den notwendigen Komponenten.
Eine der Möglichkeiten, wie Steuerungs- und Schaltanlagenbauer dem Problem des Fachkräftemangels begegnen können, ist die Automatisierung der Werkstattprozesse. Dabei stehen vor allem die vielen manuellen Tätigkeiten im Fokus, die keine besondere Qualifikation benötigen. „Dass ein ausgebildeter Elektriker Kabelkanäle sowie Tragschienen ablängt und diese auf eine Montageplatte schraubt, ist alles andere als effizient“, meint Visser-Plenge. Solche Prozesse lassen sich in vielen Fällen sehr gut automatisieren. Wenn die Fachkräfte sich dann auf die übrigen qualifizierten Aufgaben konzentrieren können, steigt die Produktivität in der Werkstatt, ohne dass zusätzliches Personal eingestellt werden muss.
Chancen der Automatisierung
Für viele der oben beschriebenen Tätigkeiten stehen heute automatisierte Lösungen zur Verfügung. Ein typisches Beispiel ist die Bearbeitung von Flachteilen des Schaltschranks. Bearbeitungszentren für die rechnergestützte numerische Steuerung wie die aus der Perforex-Serie von Rittal Automation Systems sind speziell für diese Aufgaben im Schaltanlagenbau entwickelt. Sie können bohren, fräsen und Gewinde schneiden. Mit einem automatischen Werkzeugwechsler und einem Werkzeugmagazin, das bis zu 20 Werkzeuge aufnehmen kann, können alle Arbeiten in einem Durchgang erledigt werden, ohne dass ein Bediener eingreift. Die Bearbeitungsmaschine eignet sich für alle im Schaltanlagenbau üblichen Materialien wie Stahl, Aluminium, Kupfer und auch Kunststoff. Neben Montageplatten lassen sich auch Türen und komplette Gehäuse schnell und exakt bearbeiten.
Um Gehäuse aus Edelstahl bearbeiten zu können, eignen sich Laserbearbeitungszentren deutlich besser. Plenge hat in diesem Jahr in ein solches Bearbeitungszentrum vom Typ Perforex LC investiert. „50 Prozent unserer Aufträge beinhalten Edelstahlschränke. Mit dem Laserbearbeitungszentrum können wir die vielen Aufträge, bei denen Edelstahlgehäuse benötigt werden, sehr effizient abwickeln“, sagt
Visser-Plenge.
Die Amortisationszeiten für solche Bearbeitungszentren sind auch bei kleinen und mittelständischen Unternehmen relativ kurz. Je nach Anzahl der pro Jahr bearbeiteten Schaltschränke beträgt sie oft nur zwei bis drei Jahre. „Wir mussten bei der Investitionsentscheidung nicht sehr lange über die Amortisation nachdenken, da die Vorteile so offensichtlich waren“, betont Visser-Plenge.
Andere Arbeitsschritte im Steuerungs- und Schaltanlagenbau lassen sich ebenfalls automatisieren. Der Zuschnitt von Tragschienen und Kabelkanälen, die Bestückung von Tragschienen mit Klemmen sowie die Konfektionierung von Leitungen sind nur einige Beispiele. Auch die personalintensive Verdrahtung lässt sich optimieren. Das Softwaretool Eplan Smart Wiring unterstützt die Mitarbeiter bei der Verdrahtung innerhalb des Schaltschranks. Auf einem Tablet zeigt die Software alle einzelnen Verbindungen an, die verdrahtet werden müssen. Dabei sind neben Quell- und Zielpunkt auch die Farbe, der Querschnitt und die Aderendbehandlung sowie die Anschlusspunktbezeichnungen dargestellt. Wenn für die Anlage ein virtueller Prototyp in Eplan Pro Panel erstellt wurde, kann auch der Verlegeweg der Leitung visualisiert werden.
Um die Effizienzsteigerungen in der Werkstatt optimal umsetzen zu können, ist eine Digitalisierung aller Prozesse notwendig. Der während der Elektroplanung erzeugte Schaltplan und der virtuelle Prototyp bilden die Basis für alle nachfolgenden Arbeitsschritte. Je detaillierter hierbei geplant wird, umso effizienter kann die Produktion arbeiten. Die Digitalisierung führt dazu, dass ein Teil der Arbeit von der Werkstatt in das Planungsbüro verlagert wird. Insgesamt lassen sich Projekte dadurch mit deutlich weniger Personalaufwand realisieren.
Workflow komplett optimiert
Dass solche Lösungen die Effizienz steigern, weiß auch Visser-Plenge: Durch die neue Perforex LC konnte ein deutlicher Effizienzgewinn bei der mechanischen Bearbeitung erzielt werden. Von den bisher zwei Mitarbeitern, die für die mechanische Bearbeitung eingesetzt waren, kann einer nun andere Aufgaben in der Werkstatt übernehmen.„Eine der Voraussetzungen, dass dies alles reibungslos funktioniert“, so Visser-Plenge, „ist die Durchgängigkeit der Datenhaltung von der Elektroplanung über die Arbeitsvorbereitung und die Fertigung bis hin zum ERP-System.“ Und zur Motivation der Mitarbeiter tragen auch moderne automatisierte Lösungen bei, wie die Aussage von Suedhues zeigt: „Ich freue mich schon darauf, dass ich in Zukunft auch an der neuen Laseranlage arbeiten kann.“
Warum Anlagenbauer automatisieren
Lösungen von Rittal Automation Systems und Eplan bieten handfeste Vorteile – das bestätigen neben der Plenge GmbH aus Deutschland auch andere Steuerungs- und Schaltanlagenbauer aus Europa. Wir lassen hier Anwender und Experten aus Italien, dem Vereinigten Königreich (UK) und Österreich selbst zu Wort kommen. Der gemeinsame Nenner: Perforex Bearbeitungszentren und Lasercenter machen in Verbindung mit Eplan Lösungen Prozesse effizienter, erhöhen Kapazitäten, steigern die Qualität und eröffnen neue Wachstumschancen.