Das Magazin der Friedhelm Loh Group

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AX Kunststoffgehäuse von Rittal
Praxis

Wie Notlicht im Tunnel überlebt

Es ist immer wieder ein Erlebnis, im ICE mit 300 km/h in einen Tunnel zu fahren: Die Druckwelle ist selbst im gut abgedichteten Zug zu spüren. Die Sicherheitstechnik im Tunnel muss dabei enormen Belastungen standhalten. Das gilt auch für die Notlicht-Versorgungsgeräte: Die stellen bei einem Stromausfall den Betrieb der Notbeleuchtung ­sicher, damit sich Rettungskräfte und flüchtende Passagiere orientieren können. Die Anforderungen an die ein­gesetzten Gehäuse sind hoch. Hersteller von Sicherheitstechnik wie HERMOS Systems müssen deren Zuverlässigkeit auch mit entsprechenden Zertifikaten nach­weisen können.

Text Ralf Steck ––– Fotografie

Wie überlebt ein Notlichtsystem unter Extrembedingungen? Und wie kann man die Funktionsfähigkeit dauerhaft gewährleisten?

Gerade zogen beim Blick aus dem Zugfenster noch malerische Landschaften vorbei, da wird es mit einem Schlag dunkel. Ein Tunnel. Ganz so finster, wie es den Insassen vorkommt, ist es dort allerdings dann doch nicht – dank der HERMOS Systems GmbH. Die ist für große Teile der Tunnelsicherheitsbeleuchtung der Deutschen Bahn zuständig. „In den Tunneln der Deutschen Bahn sind inzwischen circa 25.000 ­Gehäuse von uns verbaut“, erklärt Veit Demel, ­Geschäftsführer der HERMOS Systems GmbH, die Dimension der Aufgabe. „Je zwei davon bilden ein Notlicht-Versorgungsgerät.“ In den Tunnel sind ­batteriegepufferte Notlichtversorgungsgeräte eingebaut, die je zwei Tunnelsicherheitsleuchten (TSB) oder zwei Abschnitte Handlauf mit integrierter TSB (HiT) von je 16 m bzw. 25 m versorgen. Im einen Gehäuse ist die Batterie untergebracht, im anderen die Elektronik, über welche die Versorgungsgeräte ständig überwacht und gesteuert werden. Bis zu sechs dieser Notlicht-Versorgungs­geräte sind über einen Tunnelstromverteiler an ein Stammkabel angeschlossen. Für diese und weitere Verteiler nutzt HERMOS die Rittal Gehäuse der AX Serie. „Für uns gibt es zwei wichtige Anforderungen an die Gehäuse“, erläutert HERMOS-Prokurist und Projektleiter Robert Berndt: „Zum einen müssen sie robust sein und für die vom Kunden ­vorgegebenen Vorschriften zertifiziert. Zum anderen müssen sie über viele Jahre verfügbar sein, denn jede Änderung an unseren Produkten – beispielsweise ein neues Gehäusemodell – zieht eine aufwendige und langwierige Neuzertifizierung und Betriebserprobung durch die Deutsche Bahn nach sich.“

In Sicherheit: Die AX Kunststoff-Gehäuse beherbergen die Technik.

HOHE ANFORDERUNGEN IN DEN TUNNELN

Die Anforderungen sind hoch, vor allem, wenn die Gehäuse in den Schnellfahrtunneln der Bahn eingebaut werden. Durch diese fahren ICEs mit teils mehr als 300 km/h und schieben dabei eine gewaltige Druckwelle vor sich her; hinter dem ICE herrscht dagegen Unterdruck. Begegnen sich Züge im Tunnel, werden die Druckverhältnisse noch härter. „Es hört sich seltsam an, aber nicht alle Tunnel liegen unterirdisch“, verdeutlicht Berndt, „im Bereich der Portale hängen unsere Gehäuse unter freiem Himmel und sind der Witterung sowie Temperaturen zwischen −20 und +40 Grad Celsius ausgesetzt. In den Tunneln selbst sind zwar die Temperaturen meist konstant, aber dafür ist viel Feuchtigkeit im Spiel.“

Für HERMOS ist wichtig, dass die Gehäuse nicht nur diesen Umgebungsbedingungen über viele Jahre standhalten. Das Unternehmen benötigt auch Zertifikate, welche die Einhaltung der entsprechenden Normen garantieren. Die Zertifizierung ist teils sehr aufwändig: So wird die Sog- und Druckfestigkeits­prüfung in einem Windkanal durchgeführt, wie er auch in der Automobilentwicklung genutzt wird. Rittal lässt diese Prüfungen für seine Produkte durchführen und liefert die notwendigen Zertifikate mit.

300 km/h

und mehr beträgt die Geschwindigkeit von ICE-Zügen im Tunnel

−20 bis + 40º

Temperatur und hohe Luftfeuchtigkeit im Tunnel

Extrem

gewaltige Druckfront vor dem Zug und Unterdruck hinter dem Zug

VERFÜGBARKEIT ÜBER VIELE JAHRE

HERMOS-Geschäftsführer Demel erinnert sich: „Wir nutzen schon seit 1999 die Kunststoff-Schaltschränke von Rittal, weil diese alle Zertifizierungen haben, die wir wiederum beim Eisenbahn-Bundesamt für die Zulassung unserer Produkte einreichen müssen. So ist ein wichtiger Teil der Zulassung schnell erledigt – wir können die Zertifikate von Rittal einfach weitergeben und uns darauf verlassen, dass die Schränke das leisten, was in den Normen steht.“

Eine langfristige Verfügbarkeit ist ebenfalls gegeben: Mit der kürzlich eingeführten Serie AX Kunststoff hat HERMOS in fast 25 Jahren erst die zweite Schaltschrankgeneration zertifizieren müssen. Berndt erläutert: „Jede Änderung an den Produkten zieht eine Neuzertifizierung durch die Deutsche Bahn nach sich, die neben einer aufwendigen Dokumentenprüfung einen einjährigen Praxistest umfasst. Das bedeutet: Wenn wir bei einem Wechsel im Liefer­programm nicht mindestens ein Jahr Vorlauf haben, können wir für längere Zeit keine Produkte mehr an die Kunden ausliefern.“

 

  • DARUM SETZT HERMOS BEI DER DEUTSCHEN BAHN AUF AX KUNSTSTOFFGEHÄUSE

    ​​​​1. Volle Outdoor-Fähigkeit durch hohe UV-Beständigkeit, UL F1-Outdoor-Rating (UL 746C)

    ​​​​2. Personensicherheit durch Schutzisolierung (Schutzklasse II gemäß DIN EN 61140)

    ​​​​3. Hohe Schutzart bis IP 66 und NEMA 4X

    ​​​​4. Direktverschraubung von Innenausbauten

    ​​​​5. UL-Zulassung für Industrieschränke

    ​​​​6. Gefertigt aus halogenfreiem Material: Im Brandfall entstehen keine korrosiven oder toxischen Gase

    ​​​​7. Geprüft auf Sog- und Druck­festigkeit

     

Mit den neuen Kunststoff-Gehäusen bietet Rittal eine optimale Lösung für den Outdoor-Bereich: Die Schränke sind aus halogenfreiem Material, sodass bei einem Brand keine korrosiven und toxischen Gase ­entstehen. Sie erfüllen die Norm UL 94 V-0 im Brand­­verhalten sowie das UL F1-Outdoor-Rating, haben die UL-Zulassung für Industrieschränke, der gekapselte Bereich Schutzart bis IP 66/NEMA 4 X und Schutz­isolierung der Klasse II.

SERIE HÄLT BELASTUNGEN AUS

Dank der robusten Bauweise und der stabilen Kon­struktion hält die AX Reihe aggressiven Umgebungen, Feuchtigkeit sowie Sog- und Druckbelastung stand. Auch gegen umherfliegende Partikel sind die empfindlichen Elektronikschaltungen im Innern der Schränke bestens geschützt. Zahlreiche Befestigungsdome im Gehäuse ermöglichen einen individuellen Innenausbau im 25-mm-Maßraster, beispielsweise mit Chassis und Schienen. Die ersten Erfahrungen mit der AX Reihe sind gut, so Berndt: „Die AX Gehäuse sind noch robuster als die Vorgänger. So sind etwa die Verschlüsse und Scharniere aus Metall statt aus Kunststoff – das macht auch einen wertigeren Eindruck. Anfangs hatten wir wegen der hohen Sog- und Druckbelastung ein Sonder­gehäuse mit zwei Verschlüssen getestet. Es zeigte sich aber, dass ein Seriengehäuse mit einem Verschluss die Belastungen ebenso gut aushält – was natürlich wesentlich preiswerter ist und den Lieferprozess vereinfacht.“ Zudem sind die Montagepunkte der AX Reihe deutlich massiver als die des Vorgänger­modells – statt acht Verschraubungen reichen nun vier Befestigungspunkte, um das Gehäuse bei allen Belastungen sicher an seinem Platz zu halten. „Es verkürzt die Montagezeit beträchtlich, wenn man nur halb so viele Verschraubungen anziehen muss“, sagt Berndt.

LIEFERFÄHIGKEIT UNERLÄSSLICH

Die Lieferfähigkeit ist für HERMOS ebenfalls ein entscheidender Gesichtspunkt bei der Lieferantenwahl, denn das Zeitfenster, in dem die Monteure die Produkte in den Tunnel einbauen können, ist sehr eng. Demel erläutert: „Der Tunnelbau ist knapp getaktet, oft wird rund um die Uhr gearbeitet, und wir haben nur wenige Tage Zeit für den Einbau. Da müssen die Geräte rechtzeitig fertig werden – eine Herausforderung, wenn in einem Tunnel mehrere Hundert Gehäuse verbaut sind. Rittal liefert zuverlässig innerhalb von acht Wochen, was wiederum kein zeitliches Problem ist, weil der Vorlauf recht lang ist. Termintreue ist uns wichtiger als ein Tag weniger Lieferzeit.“ Demel schließt: „Wir nutzen die Kunststoff-Gehäuse von Rittal seit 1999 und haben nur gute Erfahrungen damit gemacht. Das ist wichtig, denn einen Schnellfahrtunnel kann man nicht ‚mal schnell‘ betreten, um einen Defekt zu beheben – man muss sich auf die Komponenten, die man einsetzt, blind verlassen können. Robuste Produkte, umfassende Zertifizierungen und hohe Liefertermintreue – das sind Schlüsselfaktoren, die auch unseren Unternehmenserfolg unterstützen.“

  • HERMOS Systems GmbH

    Die HERMOS Systems GmbH ist seit 25 Jahren als Ingenieurbetrieb für Automatisierungstechnik in Industrie, Gebäudetechnik und Infrastrukturanlagen zu Hause. HERMOS Systems ist unabhängig von Herstellern und Produkten und setzt auf offene Lösungen und Standards. Die Leistungen umfassen programmierbare Steuerungen sowie die Projektierung und Realisierung von Netzwerken und Softwarelösungen für Leitstellen einschließlich der dafür erforderlichen Hardware. Die HERMOS AG als Mutterkonzern liefert Software zu, beispielsweise FIS, eine herstellerneutrale Plattform zur Integration technischer Anlagen.

     

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