Text Markus Huneke ––– Fotografie
Herr Sonst, es besteht kein Zweifel: Grüner Stahl wird kommen. Doch was bedeutet das eigentlich für den Markt – konkret zum Beispiel für Ihre Kunden?
Vom Werkstoff her: nichts! Grüne Stahlgüten unterscheiden sich technologisch nicht von konventionellem Stahl. Wer fossilfreien Stahl verarbeitet, muss seine Produktionsverfahren nicht ändern und nicht in neue Anlagen investieren. Die Herausforderung ist jedoch eine andere: Wie kann ich als stahlverarbeitendes Unternehmen eigentlich sicher sein, dass der grüne Stahl, den ich erwerbe, tatsächlich fossilfrei ist? Der Nachweis eines grünen Footprints wird in Zukunft eine entscheidende Bedeutung in den Lieferketten bekommen, sei es als notwendiger Beleg, mögliche regulatorische Vorgaben zu erfüllen, sei es in der Kommunikation Kunden gegenüber, für die die Verwendung grünen Stahls immer größere Bedeutung bekommt.
Die ersten realen Mengen fossilfreien Stahls soll es ab etwa 2025 geben. Wann wird dieses Thema für Ihre Kunden in der Praxis relevant?
Schon heute! Bereits seit einiger Zeit kommen unsere Kunden mit einem großen Informationsbedarf zu grünem Stahl auf uns zu. Es geht um Fragen, was der Begriff „grün“ für konkrete Stahlerzeugnisse eigentlich bedeutet, welche Emissionen tatsächlich darin stecken und ob es Unterschiede je nach Erzeugnis und Hersteller gibt. Daran merken wir, dass es eine große Unsicherheit im Markt gibt, was die Abläufe und Prozesse rund um fossilfreien Stahl angeht. Ich bin deshalb überzeugt, dass sich ein neues, eigenes „Ökosystem“ für diese Stähle bildet. Als werksunabhängiges Stahl-Service-Center sind wir in einer hervorragenden Ausgangsposition, Impulse für ein solches neutrales Informationsnetzwerk zu geben.
Auf der Euroblech hat Stahlo eine Blockchain-Anwendung für CO2-Tracking vorgestellt. Ist es nicht sehr aufwendig, wenn sich die gesamte Stahl-Lieferkette auf eine solche Technologie umstellt?
Überhaupt nicht! Eine Blockchain-Anwendung benötigt weder große Investitionen noch eine großflächige Umstellung bereits bestehender Abläufe. Im Kern wird ein Blockchain-Datensatz weitergegeben. Jedem Stahlerzeugnis wird ein konkreter Datensatz zugeordnet, der von Produktionsschritt zu Produktionsschritt mit Informationen zu den jeweils angefallenen Emissionen angereichert wird. Die Verwaltung der Blockchain-Datensätze ist mit gängiger IT-Technologie möglich. Qualitäts- und Produktionsinformationen werden ja auch heute schon weitergegeben – allerdings weitgehend analog und anfällig für mögliche Manipulationen.
Sie sprechen sich für die Schaffung eines Ökosystems für Stahl aus. Warum?
Datenbanken können eine Alternative sein, doch die Idee eines Ökosystems ist sehr reizvoll. Denn die Daten gehören einer Community, also den Teilnehmern des Netzwerkes. Damit lässt sich eine einseitige Nutzung der Daten verhindern. Da das Vertrauen in eine Community höher ist als in eine Datenbank, die etwa von einer geschlossenen Gruppe betrieben wird, könnte sich die so wichtige Zahlungsbereitschaft für grüne Produkte etablieren. Das wäre sehr wichtig für die erforderlichen Investitionen.