Text Ralf Steck, Hans Robert Koch ––– Fotografie
Eine ganze Reihe von Megatrends wirken aktuell als Turbo für die Automatisierung: Einerseits schafft die digitale Transformation die notwendigen technischen und digitalen Grundlagen, andererseits zwingen die demografische Entwicklung und der daraus resultierende Fachkräftemangel die Unternehmen dazu, die vorhandenen Facharbeiterinnen und Facharbeiter optimal ihrem Können entsprechend einzusetzen. Einfachere, sich wiederholende Arbeiten werden mehr und mehr von Automatisierungslösungen übernommen, während das Fachpersonal entwickelt, testet und prüft.
OHNE DATEN LÄUFT NICHTS
Auch im Steuerungs- und Schaltanlagenbau gibt es bereits Prozesse, die automatisiert oder digital unterstützt sind – beispielsweise die Bearbeitung von Montageplatten oder die Kabelkonfektionierung auf Basis der digitalen Daten aus Eplan. In anderen Bereichen beginnt man erst damit, die digitale Unterstützung in manuelle Arbeitsabläufe einzubauen. Ein Beispiel dafür ist die Lösung Eplan Smart Wiring, die Werker Schritt für Schritt durch die manuelle Verdrahtung des Schaltschranks führt. Passend dazu „schießt“ das Rittal Wire Handling System (WHS) die durch das Rittal Wire Terminal auf Anforderung konfektionierten Drähte passend per Rohrleitungssystem und Luftdruck direkt an die Arbeitsplätze. So lässt sich auch ohne entsprechende Facharbeiterkenntnisse die Verdrahtung eines Schaltschranks effizient und fehlervermeidend bewältigen.
All diese unterstützenden Lösungen wären ohne die entsprechenden digitalen Daten kaum effizient zu nutzen. Erst wenn Farbe, Querschnitt, Aderenden, Länge und der Verlegeweg eines Drahts im digitalen Zwilling des Schaltschranks definiert sind, kann eine automatisierte Drahtkonfektionierung sinnvoll eingesetzt werden.
DRAHT MIT „EIGENLEBEN“
Einen Schritt weiter geht der Verdrahtungsroboter. Er erledigt die automatische Verdrahtung von Klemmleisten und Komponenten auf Tragschienen ein- und zweiseitig inklusiv Drahtabzugkontrolle. Jochen Trautmann, Geschäftsführer Rittal Automation Systems, erläutert: „Automatisierung im Steuerungsbau ist aus meiner Sicht alternativlos! Die Anforderungen an Steuerungssysteme steigen an, während das verfügbare Fachpersonal immer seltener zu finden ist. Sogar angelernte Kräfte werden von vielen Unternehmen vergebens gesucht.“
Trautmann schildert die technischen Herausforderungen, die sich bei der Entwicklung eines solchen Roboters ergeben: „Zunächst einmal ist ein Draht sehr schwierig mit einem Robotergreifer exakt zu positionieren. Jeder Draht ist biegeschlaff, so dass das abisolierte Ende nie gerade nach vorn steht. Zudem verändert sich die Position der Spitze, wenn sich der Draht hinter der Klemmung im Greifer bewegt. Und nicht zuletzt ist es mechanisch anspruchsvoll, nach dem Auflegen der ersten Drahtspitze den Draht am anderen Ende zu greifen und die Spitze zu drehen.“
ABZUGSKONTROLLE INBEGRIFFEN
Bekommt man das Eigenleben des Drahts in den Griff, sind die Vorteile einer solchen Roboteranlage beachtlich: Der Roboter führt sofort nach jedem Kontakt eine Abzugskontrolle durch, das bedeutet, dass er am neu gesteckten Draht mit einer definierten Kraft zieht und die Gegenkraft misst. Gibt der Draht nach, rutscht er aus der Klemme oder war er gar nicht im Kontakt gesteckt, wird dies erkannt und kann behoben werden. So ist man sicher, dass nicht nur jeder Draht an seinem Platz ist, sondern dass er auch richtig kontaktiert ist. Das erspart das Nachkontrollieren im Prüffeld.
RICHTIGE DATEN SIND DER SCHLÜSSEL
Noch herausfordernder ist die Datenqualität, schließlich muss nicht nur die Position jedes Kontaktpunkts in drei Dimensionen dem Roboter übermittelt werden, sondern auch die Orientierung und Tiefe der Kontaktklemme, in die der Draht gesteckt werden soll, oder die Lage des Beschriftungsfelds. Viele Hersteller liefern zwar 3D-Modelle ihrer Komponenten, diese sind für die Roboteranwendung jedoch nicht detailliert genug.
„Wir brauchen für jede Klemme qualitativ hochwertige Daten“, verdeutlicht Trautmann. „Die Position der Komponente auf der Hutschiene können wir mit einer Kamera bestimmen, und dann die Koordinaten der Kontaktpunkte entsprechend anpassen. Doch die Geometrie und Koordinaten der Kontaktpunkte müssen in den vom Komponentenhersteller bereitgestellten Modellen enthalten sein.“ Ziel ist es, automatisch und direkt aus dem 3D-Plan von Eplan die Bahnsteuerungsprogramme der Roboter zu generieren.
ERKENNTNISSE MIT KUNDEN TEILEN
Der Geschäftsführer erläutert den Stand der Entwicklung: „Bis zu einer Serienreife des Roboters gibt es noch einiges zu tun – wir sind in engem Austausch mit unseren Kunden, müssen mehr über das Drahthandling lernen, die Anlage immer weiter optimieren und gemeinsam mit den Komponenten-Herstellern an der Datenqualität arbeiten. Unser wichtigstes Ziel ist es, die Prozesssicherheit so weit zu erhöhen, dass praktisch keine Fehler mehr vorkommen.“