Text Steffen Maltzan, David Schahinian ––– Fotografie Michael Koch/Digital Fotogroup
Der Weltraum, unendliche Weiten. Das GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung bringt ihn nach Darmstadt: Mit ihren Anlagen erkunden die Wissenschaftler, was Millisekunden nach dem Urknall passierte und wie Materie entstand. „Im Beschleunigerzentrum werden wir Materie unter Bedingungen erforschen können, für die man sonst in den Weltraum reisen müsste“, erklärt Dr. Helmut Kreiser, stv. Abteilungsleiter IT, Leiter IT Core Services and Applications sowie Leiter des Green IT Cubes, GSI Helmholtzzentrum. Mit „FAIR“ entsteht dort eines der größten Forschungsvorhaben weltweit. Dafür werden Teilchen auf bis zu 90 Prozent der Lichtgeschwindigkeit beschleunigt.
1.000 Gigabyte an Daten pro Sekunde fallen schnell an bei den Experimenten, die Aufschluss zum Aufbau der Materie liefern oder Krebstherapien voranbringen. Dafür hat das GSI ein eigenes Rechenzentrum gebaut, den sogenannten „Green IT Cube“. Die bis heute übliche Luftkühlung an den Prozessoren kommt allerdings an ihre physikalische Grenze, wenn die Leistungsdichte für High Performance Computing (HPC) und KI weiter erhöht wird. Eine Flüssigkeit wie Wasser muss direkt zu den Chips. Sonst lassen sich KI-Anwendungen in keinem Rechenzentrum in großem Stil betreiben.
Praxis und Entwicklung in Kooperation
Rittal hat gemeinsam mit Server-Herstellern und Hyperscalern eine Kühlverteilertechnik entwickelt, die im kompakten Rack-Format über ein Megawatt Kühlleistung erbringt. Am GSI geht sie in die Live-Praxis. Als Dr. Kreiser die Rittal Kollegen auf einer Messe besuchte und die Kühllösung sah, war schnell klar: Diese Coolant Distribution Unit (CDU) passt ideal in den Green IT Cube. Sie schließt die letzte luftgekühlte Lücke bis zu den Servern. Im GSI wird die Wärme ohnehin schon ab der Rücktür der Racks mit Wasser abgeführt. Und zwar hocheffizient. Bereits heute erreicht das Rechenzentrum einen Effizienz-Kennwert (PUE) von unter 1,07.
Schnell war man sich einig, dass es nicht nur um Einsatz, sondern auch Entwicklung gehen soll. Wo hat man bessere Chancen dafür als bei den Wissenschaftlern im GSI? Rittal und GSI haben eine Kooperation geschlossen, um den Praxiseinsatz zu erproben und gleichzeitig die Effizienz der Lösung zu steigern sowie den CO2 -Footprint weiter zu senken. „Mit der neuartigen direkten Chipkühlung in Kooperation mit Rittal betreten wir gemeinsam technisches Neuland – und leisten gleichzeitig Pionierarbeit, wie solche Systeme im größeren Stil in Rechenzentren angewendet werden können“, sagt Dr. Helmut Kreiser. Bei der Zusammenarbeit von Rittal und GSI geht es also sowohl um den Einsatz und Optimierung vor Ort, als auch um eine Vorbildfunktion für die Rechenzentrumswelt.
Voraussetzungen für IT schaffen
Uwe Scharf, Rittal Geschäftsführer für den Vertrieb Deutschland, sagt: „Wenn wir Wertschöpfung für die Industrie und Fortschritte in der Forschung durch KI und High Performance Computing erreichen wollen, müssen wir schnell auch die Voraussetzungen in den Rechenzentren schaffen.“
Je besser die praktischen Probleme bei Installation, Betrieb und Instandhaltung gelöst sind, desto eher werden Betreiber von Großrechenzentren solche Lösungen einsetzen. „Diese Infrastruktur muss schnell auch in Deutschland entstehen, damit KI zum Wachstumstreiber für Industrie, Forschung und Digitalindustrie werden kann“, erläutert Scharf. „Mit Eplan treiben wir KI-Anwendungen in der Industriesoftware voran. Mit GSI leisten wir die Grundlagenarbeit für die IT-Infrastruktur. Wenn wir es richtig machen, können sich Forschung, Industrie und Digitalwirtschaft beflügeln.“
KI mit KI optimieren
Eine der größten Herausforderungen bei der flächendeckenden Nutzung von KI-Anwendungen ist das Management ihres großen Energieverbrauchs. Bei der Kooperation zwischen Rittal und GSI steht daher diese Art der Optimierung weit oben im Lastenheft – nicht nur auf Geräteebene, sondern im gesamten Rechenzentrum als ganzheitliches Kühlsystem. Dafür steuert das Darmstädter Start-up etalytics eine KI-basierte Lösung zum Projekt bei. Hervorgegangen aus einer Forschungsgruppe der TU Darmstadt, bringt etalytics DeepTech-Entwicklungen aus den Bereichen Datenanalyse, KI und Energiewissenschaften aus der Forschung in die Praxis. Mit digitalen Zwillingen des Systems sorgt KI aus Hessen so für mehr Energieeffizienz beim Einsatz von KI-Anwendungen.