Text Hans Robert Koch ––– Fotografie
Lassen Sie uns über Kunden sprechen. Welcher Kunde ist für Sie interessant, was macht einen guten Kunden aus?
Thomas Basler: Ein guter Kunde sieht uns nicht nur als Lieferanten, sondern als Partner auf Augenhöhe und ist an einer dauerhaften Beziehung interessiert. Ein für uns richtig interessanter Kunde sagt: Ich habe eine Idee und brauche eine Leistung vom Engineering bis zum fertigen Produkt – und nicht nur die Fertigung eines einzelnen Schaltschrankes. Für uns als Anlagenbauer ist wichtig, dass wir die gesamte elektrotechnische Wertschöpfungskette bedienen und maximal ausreizen können.
Ist das mehr Wunsch als Wirklichkeit?
Thomas Basler: In der Tat erhalten wir von unseren Kunden aus dem Maschinen- und Anlagenbau und der Gebäudetechnik oftmals noch Pläne als PDF, in denen die Struktur nicht stimmt und die Bauteile nicht passen. Das bedeutet, wir können unseren Automatisierungsprozess in unserem eigenen Anlagenbau mit dem digitalen Zwilling gar nicht so durchführen, wie wir es eigentlich möchten. Meine Beobachtung ist, dass der Automatisierungsprozess in vielen Unternehmen noch nicht weit fortgeschritten ist. Das Routing, die Beschriftung und Endbehandlung von Drähten aus einem digitalen Zwilling abzuleiten – davon sind viele noch weit entfernt.
Kundenzentrierung bestimmt seit jeher den Markterfolg. Der Ansatz „Der Kunde ist König“ gilt aber nicht mehr. Was dann?
Ulrich Engenhardt: Interessanterweise steht in den Unternehmensgrundsätzen von Rittal nicht, dass der Kunde König ist, sondern der Kunde ist Partner. Wir arbeiten in einem hochdynamischen und hochkomplexen Umfeld, deshalb ist Partnerschaft der richtige Ansatz. Heute kann niemand mehr allein die allumfassende Perspektive auf alle Anforderungen der Märkte und Branchen sowie auf die technischen Möglichkeiten haben. Wir haben einen Blick, der Partner hat einen Blick. Nur wenn man die beiden übereinanderlegt, dann wird es gelingen, am Markt langfristig erfolgreich zu sein – und zwar beiden Unternehmen.
Krisen nehmen auch Einfluss auf die Kundenbeziehung. Wie nehmen Sie die Situation bei Kunden wahr?
Ulrich Engenhardt: Bei Kundengesprächen erlebe ich eine große Aufbruchstimmung und ein großes Chancendenken. Die All Electric Society – weg von Petro, Oil und Gas hin zu Strom – gibt einen großen Rückenwind. Gleichzeitig lösen die aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, beispielsweise in Zentraleuropa und auch teilweise in China, durchaus große Unsicherheiten aus, weil es noch nicht klar ist, wie gut es in welchen Branchen laufen wird. Dann gibt es den Fachkräftemangel und regulatorische Anforderungen wie beim Thema Kältemittel sowie den aufkommenden Protektionismus. Für viele Unternehmen ist es undurchschaubar geworden. Die VUCA-Welt – Volatility, Uncertainty, Complexity, Ambiguity – schreitet voran, die Amplituden in der Weltwirtschaft – aber auch lokal – werden kürzer und dafür intensiver. Wo man sich früher in einem relativ stabilen Umfeld bewegt hat, kann innerhalb kürzester Zeit viel passieren.
Thomas Basler: Unsere Kunden und auch wir müssen mittlerweile ein höheres Maß an Flexibilität an den Tag legen. Durch die Krise waren etwa Bauteile nicht verfügbar. Doch das Problem der Lieferfähigkeit gehört – neben dem Fachkräftemangel – auch weiterhin zu den allergrößten Herausforderungen. Wir erleben es gerade durch den jüngsten Vorfall im Suezkanal. Da Schiffe zwei Wochen länger unterwegs sind, fehlt es wieder vereinzelt an Komponenten. Das Problem ist tatsächlich zurückgekehrt, nicht mehr so dramatisch in Summe, aber doch für einzelne Bauteile. Wobei wir das über das Handelsgeschäft bei Alexander Bürkle gut abfangen können. Wir sind sehr breit aufgestellt, dadurch waren wir in der Krise sehr lange lieferfähig.
Wenn es hart auf hart kommt, werden auch Beziehungen auf den Prüfstand gestellt, oder?
Ulrich Engenhardt: In Krisenzeiten zeigt sich, ob man Wort hält. Dass Rittal seine Lieferfähigkeit auch in den Hochzeiten der Lieferkrise unter Beweis stellte, war enorm vertrauensbildend. Man hat gemerkt, dass es uns wirklich um den Kunden geht. Unseren enormen finanziellen Aufwand haben wir bei Weitem nicht wieder kompensiert und wollten es auch vom Kunden nicht fordern. Generell passieren in Krisen zwei Dinge: Kunden fahren auf Sicht und treffen kurzfristigere Entscheidungen. Zeitgleich fragen sie sich, wie man besser werden kann. In der Krise kommt immer die Frage nach der Effizienz. Die Offenheit für Antworten ist größer. Krise ist somit immer eine riesige Chance für Unternehmen. Da geht es nicht um die Kosten eines Schaltschranks, sondern darum, wie man den Wertschöpfungsprozess besser gemanagt bekommt.
Thomas Basler: Ich will behaupten, die Krise hat uns mit unseren Kunden zusammengeschweißt. Der Austausch war viel intensiver. Wir haben nahezu täglich kommuniziert: „Pass auf, es gibt einen neuen Liefertermin. Was können wir tun, was können wir alternativ einsetzen?“ Dadurch haben wir unsere Kunden auch von einer ganz anderen Seite kennengelernt. Klar: Es gab auch Reibungspunkte, wenn man nicht pünktlich geliefert hat, der Schrank nicht vollständig ausgebaut und eine richtige Prüfung nicht möglich war. Dann gab es auch mal Fehler. Wir haben dann den direkten Austausch gesucht: „Komm’ einfach vorbei, wir setzen uns zusammen und diskutieren über das Thema!“ Dann haben wir hier die Problemfälle aufgearbeitet. Was ursprünglich eine Reklamation war, hat sich ganz oft positiv entwickelt.