Text Ulrich Sendler ––– Fotografie
Die Trendanalysen von Boston Consulting Group (BCG), Deloitte, Forrester, IDC, Gartner und McKinsey sind sich einig: Der absolute Hype um generative AI nimmt schon wieder ab. In Gartners AI-Hype-Cycle hat Gen AI den Höhepunkt überzogener Erwartungen überschritten. Für die nächsten Schritte der Industrie-Anwendung sind grundlegende Entscheidungen zu treffen. Nicht für oder gegen das eine oder andere System, die eine oder andere Technologie. Sondern für die prinzipielle Art, wie AI in Angriff genommen wird.
Fokus auf wenige große Initiativen
Viel Geld ist auch im vergangenen Jahr in den AI-Einstieg mit generativer AI gesteckt worden. Aber nur 30 Prozent der CEOs waren laut Gartner mit der Rendite der AI-Investitionen zufrieden. Der BCG AI Radar sagt, dass die meisten Initiativen „zu niedrig zielen“ und vor allem auf kurzfristige Produktivitätsgewinne aus sind. Die erfolgreichen Unternehmen dagegen – laut BCG ein Viertel der befragten 1.800 Führungskräfte – haben sich im Schnitt auf 3,5 Initiativen (die anderen: 6,1) konzentriert, die jetzt skaliert werden. Führende Unternehmen, so BCG, setzen 80 Prozent ihrer AI-Investitionen für die Umgestaltung wichtiger Funktionen und die Entwicklung neuer Angebote ein.
Das leuchtet ein. So könnte ein Ansatz sein, mit Hilfe einer AI-Initiative den Stromverbrauch im gesamten Produktionsbereich dramatisch zu senken. Nicht nur wegen der Kosten, des CO2-Fußabdrucks und der Nachhaltigkeit. Gerade die IT rast mit der AI in nicht mehr zu handhabende Stromverbräuche. Eine solche Initiative hätte also einen sofortigen Effekt in der Breite und würde zugleich die Voraussetzungen für künftige AI-Initiativen verbessern.
Fokus auf AI-Agenten
McKinsey unterscheidet in seinem Technology Trends Report 2025 nicht mehr zwischen angewandter und generativer AI und setzt gleichzeitig agentische AI auf höchste Priorität.
Was ist agentische AI? Ein AI-Agent ist ein System, das auf Gen AI setzt, aber nicht nur Ergebnisse in Text oder Bild liefern, sondern eigenständig und ohne menschliche Eingriffe nahezu beliebige Datenquellen durchsuchen und auch andere Softwaresysteme starten kann, um gestellte Aufgaben zu erledigen. Mindestens teilweise geht das in Richtung autonomer Systeme.
Für die Industrie besonders interessant ist, dass AI-Agenten zwar die trainierten Modelle aus den USA und China nutzen, aber diese Modelle ganz gezielt auf kleinere, regionale oder sogar betriebliche Datenquellen ansetzen, mit denen sie sehr schnell zu sehr guten Ergebnissen kommen und die sogenannten Halluzinationen auf ein Minimum beschränken. Auf die entscheidenden Industriedaten beispielsweise. Der generelle Begriff für dieses Vorgehen lautet RAG und steht für Retrieval Augmented Generation.
Allein 2024 wurden laut Trends-Report 2025 weltweit 1,1 Milliarden US-Dollar Eigenkapitalinvestitionen in Agentic AI getätigt. Und eine Zunahme der im Internet angebotenen Jobs in der Entwicklung von AI-Agenten um sage und schreibe 985 Prozent von 2023 auf 2024. Auch alle anderen Studien legen die Priorisierung der AI-Agenten nahe.
Fokus auf AI-ready Data
Im Gartner AI-Cycle sind AI-ready Data gerade an der heißesten Stelle des Zyklus. Das bedeutet: Ohne die richtigen Daten in standardisierten Formaten gibt es keine sinnvolle KI, die Mehrwert schafft. Oder anders gesagt: Generative AI einfach auf Data Lakes unstrukturierter Daten loszulassen, heißt, viel Zeit mit wenig Wertschöpfung zu verschwenden.
Vorhandene Daten standardisieren und standardisierte Datenquellen identifizieren – das ist schon lange die Vorgabe der Industrie-Digitalisierung. Jetzt werden diejenigen, die ihre Arbeit schon bisher gemacht haben, auch mit dem Einstieg in die KI am schnellsten die größten Früchte ernten. Und für diejenigen, die noch abgewartet haben, ist es eine hervorragende Gelegenheit, den Einstieg in die KI mit den richtigen Daten und Prozessen nach Stand der Technik zu gestalten