Das Magazin der Friedhelm Loh Group

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Eplan Copilot
Innovation

Wie AI Das Engineering revolutioniert

AI und durchgängige digitale Prozesse verändern das Engineering grundlegend – schneller als gedacht. Siemens und Eplan treiben diese Entwicklung gemeinsam voran. Sebastian Seitz, CEO von Eplan und Cideon (rechts), und Rainer Brehm, CEO von Siemens Factory Automation (links), verraten, wie AI neue Impulse erzeugen kann.

Text Interview: Christian Vilsbeck und Birgit Hagelschuer ––– Fotografie

„KI-Agenten werden in den nächsten Jahren völlig neue Arbeitsweisen ermöglichen.“


RAINER BREHM,
CEO von Siemens Factory Automation

Welche grundlegenden Veränderungen erwarten Sie im Engineering durch den Einsatz von KI?

Seitz: Generative KI bietet enorme Potenziale, Entwickleraufgaben zu automatisieren und effizienter zu gestalten. Wir sehen bereits heute, dass sich wiederkehrende Prozesse mit KI optimieren lassen. Die größte Herausforderung ist, diese Technologien so zu integrieren, dass sie auch in komplexen Problemlösungsprozessen unterstützt. Die Möglichkeiten reichen von der automatischen Generierung von Montageplatten-Layouts bis hin zur intelligenten Fehleranalyse. Besonders bei der Automatisierungstechnik sehen wir erhebliche Effizienzgewinne, wenn KI-basierte Systeme in bestehende Engineering-Prozesse integriert werden. Ein wichtiger Aspekt ist die Reduzierung der Planungszeit. Durch KI-gestützte Werkzeuge können Entwickler innerhalb weniger Minuten verschiedene Szenarien simulieren, die früher Tage oder sogar Wochen in Anspruch genommen hätten.

Brehm: Ich sehe das genauso. Unser Ziel war es schon immer, das Engineering effizienter zu machen. Heute geht es darum, wie sich Engineering-Tools nahtlos in die Workflows unserer Kunden einbinden lassen. Die große Herausforderung ist nicht nur die Automatisierung von Teilprozessen, sondern auch die tiefere Integration von PLM-Systemen in die Engineering-Systeme, um eine Digitalisierung mit durchgängigen Workflows zu erreichen. Zudem sehe ich eine spannende Entwicklung in der Kombination von KI mit Simulationstechnologien. Mithilfe von digitalen Zwillingen und KI können wir schon in der Designphase der Anlagen Optimierungspotenziale erkennen. Das reduziert nicht nur Kosten, sondern minimiert auch Fehler und Stillstandzeiten in der Produktion erheblich. Darüber hinaus ermöglicht KI eine noch engere Vernetzung zwischen verschiedenen Engineering-Disziplinen.

Kann man sich die KI wie lokale „KI-Agenten“ vorstellen, die ständig beobachten, analysieren und sich gegenseitig austauschen?

Seitz: Ja das trifft es im Prinzip. KI-Agenten sind intelligente Software-Programme, die eigenständig Entscheidungen treffen, um komplexe Engineering-Prozesse zu automatisieren und zu optimieren. Sie analysieren Daten, lernen aus Erfahrungen und führen bestimmte Aufgaben autonom aus. Unsere Vision ist es, KI-Agenten als digitale Assistenten für Ingenieurinnen und Ingenieure zu etablieren, die ihnen helfen, effizienter und präziser zu arbeiten. Sie übernehmen zeitaufwendige Routineaufgaben und ermöglichen es Entwicklungsabteilungen, sich auf kreative und strategische Herausforderungen zu konzentrieren.

Brehm: Genau! Wir sehen KI-Agenten als intelligente und autonome Assistenten, auf die der Siemens Industrial Copilot zugreifen kann. Sie arbeiten nicht isoliert, sondern in enger Abstimmung mit anderen Agenten, digitalen Systemen und dem Anwender. Durch den Einsatz von KI-Agenten können wir den Entwicklungsprozess von Maschinen und Anlagen erheblich beschleunigen und Fehlerquellen minimieren. Besonders spannend ist der Einsatz von Multi-Agenten-Systemen, in denen verschiedene KI-Agenten über einen Orchestrator-Agenten miteinander kommunizieren und kollaborativ arbeiten. Beispielsweise kann ein Agent für elektrische Schaltpläne mit einem Agenten für mechanische Konstruktion interagieren, um sicherzustellen, dass beide Systeme optimal aufeinander abgestimmt sind.

Können Sie konkrete Anwendungsfälle für KI-Agenten im Engineering nennen?

Seitz: Ein sehr praktischer Anwendungsfall ist die automatische Generierung von Montageplatten-Layouts. Bisher mussten Ingenieure viele Elemente manuell platzieren und Verbindungen definieren. Mit KI-Agenten kann dieser Prozess erheblich beschleunigt werden. Der Agent analysiert vorhandene Konstruktionsdaten, schlägt optimierte Schaltschrankaufbauten vor und generiert die entsprechenden Aufbaupläne automatisch. Darüber hinaus gibt es bereits KI-Agenten, die bei der Fehleranalyse in bestehenden Schaltungen unterstützen. Sie können durch den Vergleich mit bekannten Montageplatten-Designs potenzielle Fehlerquellen identifizieren und Vorschläge zur Behebung machen. Das reduziert den Zeitaufwand für Fehlerkorrekturen erheblich.

Brehm: Zusätzlich bieten wir KI-Agenten über den Industrial Copilot – den Engineering Copilot TIA – für die Automatisierungsprogrammierung an. Dieser hat über den Orchestrator-Agenten Zugang zu unterschiedlichen digitalen Agenten, die er für die Lösung von komplexen Herausforderungen braucht. Diese Agenten können Code-Blöcke für speicherprogrammierbare Steuerungen generieren und optimieren. Basierend auf den Anforderungen eines Projekts analysieren sie die besten Steuerungskonzepte und schlagen Automatisierungsstrategien vor. Ein weiterer wichtiger Bereich ist die vorausschauende Wartung. Hier können Industrial Copilots Sensordaten aus Maschinen analysieren und frühzeitig Anomalien erkennen, bevor es zu einem Ausfall kommt.

Welche Herausforderungen gibt es noch beim Einsatz der generativen KI im Engineering?

Seitz: Eine der größten Herausforderungen ist die Datenqualität. Die KI-Tools sind nur so gut wie die Daten, mit denen sie arbeiten. Daher müssen wir sicherstellen, dass unsere Datenbanken gut strukturiert und aktuell sind. Hier setzen wir auf Standardisierungsinitiativen wie die Verwaltungsschale – die Asset Administration Shell – und den ECLASS-Standard, um eine einheitliche Datenbasis zu schaffen. Zudem müssen die Mitarbeitenden ihren Copilots vertrauen. Das bedeutet, dass die Entscheidungsprozesse der Künstlichen Intelligenz transparent und nachvollziehbar sein müssen. Wir arbeiten daran, unsere KI-Modelle so zu gestalten, dass sie nicht als „Black Box“ wahrgenommen werden, sondern ihre Vorschläge und Entscheidungen begründen können.

Brehm: Eine weitere Herausforderung ist die Integration in bestehende Systeme. Viele Unternehmen arbeiten mit gewachsenen Strukturen und heterogenen Systemlandschaften. Der Einsatz von industriellen Copiloten ist für Anwender zwar sehr einfach, dennoch ist eine durchdachte Migrationsstrategie sinnvoll, damit bestehende Prozesse nicht unterbrochen, sondern sinnvoll ergänzt werden. Ein weiteres Thema ist die Sicherheit. Generative KI-Systeme, die in Engineering-Prozesse eingreifen, müssen sicherstellen, dass keine kritischen Fehler entstehen. Deshalb setzen wir auf umfassende Test- und Validierungsmechanismen, um die Zuverlässigkeit der KI zu gewährleisten.

Wie sehen Sie die Zukunft des KI-basierten Engineerings?

Brehm: Es gibt noch viel Potenzial. In Zukunft werden industrielle Copiloten immer autonomer arbeiten und noch stärker mit anderen Systemen vernetzt sein. Das wird das Engineering revolutionieren und Unternehmen einen enormen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Unser Ziel ist es, eine durchgängige Automatisierungslandschaft zu schaffen, in der KI-gesteuerte Agenten oder Assistenten verschiedene Disziplinen vernetzen und Prozesse weitgehend automatisieren. Dies wird nicht nur die Effizienz steigern, sondern auch die Innovationskraft unserer Kunden erheblich verbessern.

Seitz: Ich bin überzeugt, dass sich KI-Agenten in den nächsten Jahren als fester Bestandteil des Engineerings etablieren. Sie werden nicht nur bestehende Prozesse verbessern, sondern auch völlig neue Arbeitsweisen ermöglichen. Ingenieurinnen und Entwickler werden mit diesen Assistenten zusammenarbeiten, um komplexe Projekte schneller und effizienter umzusetzen. Unsere Vision ist ein vollständig digitalisiertes und automatisiertes Engineering, das in Echtzeit optimiert wird. KI wird dabei eine zentrale Rolle spielen, indem sie die Mitarbeitenden unterstützt, datenbasierte Entscheidungen schneller und präziser zu treffen.

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