Das Magazin der Friedhelm Loh Group

Das Magazin der Friedhelm Loh Group

Text Ingrid Kirsch ––– Fotografie

Netze ersetzen Inseln

Digitalisierung. Netzwerken heißt das ökonomische Gebot der Stunde. Mit der Digitalisierung ist ein neues Miteinander der Unternehmen entstanden.

Branchengrenzen verschwimmen, Industrie und IT rücken immer näher zusammen. Wer innovativ bleiben möchte, sollte mehr denn je auf starke und verlässliche Partner setzen. Und auf zukunftssichere Lösungen.

Daten in Echtzeit verarbeiten, leistungsstarke IT-Systeme in unmittelbarer Nähe zu ihren Maschinen und Anlagen betreiben – und das mit geringen Latenzzeiten in rauen Industrieumgebungen: Die Leistungen, die das Secure Edge Data Center (SEDC) verspricht, sind so anspruchsvoll wie die Erwartungen der Kunden. Ein attraktives Geschäftsmodell – aber kaum zu stemmen für einen einzigen Anbieter. Das Konzept: eine strategische Partnerschaft – aus ABB, Hewlett Packard Enterprise (HPE) und Rittal. Mit klarer Rollenverteilung: HPE vertreibt die Lösung weltweit. „HPE hatte die Idee, eine Edge-Lösung auf den Markt zu bringen, und dafür die passende Infrastruktur gesucht. Wir haben dann auf Basis unserer standardisierten IT-Infrastruktur eine Edge-Lösung entwickelt“, sagt Andreas Keiger, Executive Vice President Global Business Unit IT bei Rittal. „Während HPE sich beispielsweise um den globalen Vertrieb des SEDC kümmert, sorgen wir mit unserem Know-how für den nötigen physischen Schutz. So ist alles vor Diebstahl, Feuchtigkeit, Staub und Verschmutzung geschützt, damit in rauen Industrieumgebungen der für die IT erforderliche Schutz gewährleistet ist. Integrierte Kühlung und Brandschutz sind ebenfalls inklusive.“ Und die Stromversorgung? „Kommt von ABB.“ So ist aus der Synergie der drei Partner ein im Markt einzigartiges Produkt entstanden.

Von geteiltem Wissen profitieren

Das Beispiel zeigt: Wer wie Rittal, HPE und ABB das eigene Wissen mit anderen teilt, kommt zu neuen und besseren digitalen Konzepten, verbreitert die eigene Marktabdeckung, schafft mehr Aufmerksamkeit und erreicht völlig neue Zielgruppen. „Die Kunden erwarten heute komplette und zertifizierte Lösungen, sie wollen Hard- wie Software sofort nutzen können und erwarten nach der Inbetriebnahme erstklassigen Service“, sagt Keiger. „Solche Wunschpakete lassen sich nur noch selten allein mit dem eigenen Portfolio schnüren.“

Keine Gnade mit Nostalgikern: Wer jede Aufgabe im Alleingang lösen möchte, weil er nur sich selbst vertraut oder in tradierten, also engen Branchengrenzen denkt, wird nicht mehr zu den innovativen Vorreitern zählen. Denn disruptive Ideen scheren sich längst nicht mehr um Brancheneinteilungen; erfolgreiche Start-ups sortieren sich gar nicht erst in die übliche Branchenlogik ein. Und für traditionelle Unternehmen gilt: Nur wenn es ihnen gemeinsam mit anderen gelingt, ihre komplementären Kompetenzen kreativ zu einem revolutionären Neuen zusammenzufügen, ist Ihnen die Eintrittskarte in die Zukunft sicher. Nicht von ungefähr hält Keiger die „Kooperationsfähigkeit“ inzwischen für die entscheidende Eigenschaft von Führungskräften. Wer kreativ bleiben wolle, müsse wissen, mit wem er bei welchem Ziel zusammenarbeiten kann – und seine Wunschpartner von den Vorteilen eines solchen Zusammenschlusses überzeugen.

Intelligente Koordination. Findet eine Ameise Futter, markiert sie den Rückweg von der Futterquelle zum Ameisenbau mit Duftstoffen. So wissen die anderen schneller, wo sie Nahrung finden können.

Die Allianzen gehen dabei weit über das hinaus, was in früheren Zeiten unter Kooperation vorstellbar war. Es geht nicht mehr nur darum, mit Lieferanten oder Kunden Partnerschaften einzugehen, mit denen das Marketing leichterfällt und die Unternehmen ihren Umsatz ankurbeln können. Es geht heute um völlig neue digitale Geschäftsmodelle – und die liegen häufig quer zu den herkömmlichen Branchen. Kästchendenken ist out, stattdessen ist Arbeiten in einem gemeinsamen Kosmos angesagt, in dem unterschiedlichste Industriezweige konstruktiv zusammenrücken. So entwickelt die Bekleidungsindustrie zusammen mit Unternehmen aus der Informationstechnikbranche sogenannte Wearables und verwandelt T-Shirts in tragbare Computer. Und bei der personalisierten Medizin verschmelzen Pharmazie, Diagnostik, Medizintechnik und IT.

Neue digitale Geschäftsmodelle

„Statt in traditionellen linearen Wertschöpfungsketten arbeiten zukunftsorientierte Unternehmen heute mehr und mehr in dezentralen Wertschöpfungsnetzwerken“, sagt Marion Weissenberger-Eibl, Leiterin des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung und Professorin für Innovations- und Technologiemanagement am Karlsruher Institut für Technologie. „Nur so können Unternehmen die zunehmend komplexen Aufgaben bewältigen, Synergien nutzen und wettbewerbsfähig bleiben.“

Kooperation geht heute so weit, dass Unternehmen sogar ihre früheren Heiligtümer teilen: Daten. So betreiben drei Viertel aller mittleren und großen Unternehmen in Deutschland laut einer von PricewaterhouseCoopers Studie aus dem April 2018 Data Sharing über die eigenen Firmengrenzen hinweg – nicht nur mit Kunden oder Lieferanten, sondern auch mit branchenfremden Unternehmen (21 Prozent) oder sogar Wettbewerbern (15 Prozent). Ziel: Sie möchten das eigene Geschäftsmodell digitalisieren und sich neue Erlösquellen erschließen.

Wer das eigene Branchenwissen teilt, erntet im günstigsten Fall ein neues Geschäftsmodell – und das immer öfter branchenübergreifend: Rimowa, Airbus und T-Systems entwickelten gemeinsam einen intelligenten Koffer. Audi arbeitet mit dem südkoreanischen Autohersteller Hyundai an der Entwicklung innovativer Batterietechniken für Elektrofahrzeuge zusammen und Continental und Nvidia kooperieren, um intelligente Technik für autonome Fahrzeuge zu entwickeln. Gemeinsam ist man stärker.

Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt hat in seiner Studie „Innovationstreiber Kooperation“ herausgefunden, dass Mittelständler mit Kooperationsengagements ihren Innovationserfolg steigern. Innovationsmanagement und Kooperationsmanagement gehören inzwischen zusammen wie Rechenzentrum und Serverschränke und sind ohne einander nicht denkbar. Das gilt besonders dann, wenn sich Konzerne und Mittelständler aus den traditionellen Branchen Zukunftsmärkte erschließen und ihren Kunden zum Beispiel vernetzte Services anbieten möchten. Dann kommen sie um eine enge Zusammenarbeit mit Informations- und Kommunikationsunternehmen oder digitalen Start-ups nicht herum. Denn vernetzte Produkte sind komplex und sprengen zumeist das innerhalb des Unternehmens verfügbare Wissen. Daher gehen Unternehmen immer häufiger in den intensiven Austausch mit anderen: suchen nach etablierten technischen Lösungen aus anderen Branchen, die sie per Kooperation übernehmen können. Oder entwickeln gemeinsam mit  Partnern aus anderen Industriezweigen neue Services und Produkte.

Produktivität steigern, Standards schaffen

Netzwerke sind aber auch dann sinnvoll, wenn es sich um Vertreter derselben Branche handelt. Rittal zum Beispiel hat mit dem Schwesterunternehmen Eplan und dem Hersteller für Verbindungs- und Automatisierungstechnik Phoenix Contact das Technologienetzwerk Smart Engineering and ­Production 4.0 ins Leben gerufen. Das Dreiergespann will mit Industrie-4.0-Anwendungen die Basis legen, um die Produktivität im Mittelstand zu steigern und herstellerneutrale Standards für Daten und Datenkommunikation zu schaffen. Beispielsweise, wie sich die gesamte Produktion eines Schaltschranks mit durchgängigen Datenmodellen automatisieren lässt.

Digitaler Vorteil für den Anwender: Da die Bereiche Engineering, Materialwirtschaft, Fertigungsplanung und Produktion nahtlos ineinandergreifen, entsteht ein Effizienzgewinn von 40 Prozent. Manuelle Tätigkeiten sind nicht mehr notwendig, Medienbrüche gehören der Vergangenheit an. Für diesen digitalen Mehrwert teilte jedes der beteiligten Unternehmen bereitwillig das eigene Wissen. Eplan steuerte sein Engineering-Know-how bei, Rittal die Schaltschrankexpertise und Phoenix Contact fügte die elektrotechnischen Komponenten hinzu. „Digitalisierung steht für Netze und nicht für Inseln“, sagt Dr. Karl-Ulrich Köhler. Der CEO von Rittal plädiert daher für das Mitgestalten neuer Standards und vertrauensvolle Partnerschaften. Wer als Unternehmen zukunftsfähig bleiben wolle, müsse in die strategische Planung der digitalen Transformation Dritte einbeziehen. „Erst aus diesem weiten Winkel ergeben sich die größten Chancen beständiger Wettbewerbsfähigkeit.“ Zumindest, solange das Wissen in beide Richtungen fließt. Denn klar ist: Wer sich öffnet, erhöht nicht nur die Chancen auf Wachstum und Profitabilität, sondern macht sich auch angreifbar. Heißt: Wer sich an einer branchenübergreifenden Kooperation beteiligt, muss nicht nur sicherstellen, dass die eigene Position unbeschädigt bleibt. „Jedes Unternehmen sollte Vorkehrungen treffen“, sagt Netzwerkexpertin Weissenberger-Eibl, „damit es nicht über kurz oder lang zum Zu­lieferer degradiert wird.“

  • Das neue Miteinander

    Das neue Miteinander

    Gemeinsam mit vielen anderen Kooperationspartnern setzt die Friedelm Loh Group im Rahmen von Mindsphere World auf das IT-System der Zukunft.

    Rittal gehört mit Siemens, Festo, Kuka und anderen Unternehmen zu den Gründern der Mindsphere World. Ziel des Vereins ist es, das offene Betriebssystem MindSphere global weiterzuentwicklen und so das Internet of Things (IoT) voranzutreiben. Die Struktur von MindSphere hilft dabei, herstellerunabhängig Maschinen und Anlagen einzubinden sowie Apps zu entwickeln. Außerdem arbeiten die Unternehmen an Standards zum Aufbau eines weltweiten Ökosystems für das IoT. Dessen Plattformen wie MindSphere können beispielsweise für vernetzte Kühlgeräte oder Chiller der Blue e+ Familie genutzt werden. Mithilfe der IoT-fähigen Kühlsysteme lassen sich Daten gezielt auswerten und visualisieren. Auf diese Weise können sämtliche After-Sales-Services besser antizipiert, geplant und Konzepte hinsichtlich Predictive Maintenance entwickelt werden.

     

Daten verstehen, Prozesse verbessern: Rittal geht neue Wege im Internet der Dinge

Bereits der Name MindSphere klingt nach Zukunftsmusik. Millarden von Geräten produzieren gewaltige Datenmengen – von denen die Industrie bisher nur einen Bruchteil intelligent nutzt und analysiert. An dieser Stelle setzt das cloudbasierte Betriebssystem für das Internet der Dinge (Internet of Things, kurz IoT) aus dem Hause Siemens an. Rittal gehört zu den Unternehmen, die bereits an der Entwicklung von IoT-Lösungen auf MindSphere-Basis arbeiten. So finden in Rittershausen die ersten Tests zur internen Anbindung von MindSphere an das Blue e+-System statt. Der Vorteil für den Kunden: einfachere Instandhaltung, weniger Störungen und gesenkte Kosten.

Holger Michalka, Geschäftsbereichsleiter Vertrieb, globale Logistik und Service, erklärt, wie MindSphere die Datenanalyse für die Kühlgeräteserie Blue e+ revolutioniert.
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