Das Magazin der Friedhelm Loh Group

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100-Tage-Interview mit Dr.-Ing. Clemens Weis
Innovation

Der Mittelstand braucht’s einfach

Im Journalismus gilt die Faustregel, dass Amtsinhaber nach 100 Tagen eingearbeitet sind und dies der ideale Zeitpunkt für ein erstes Interview ist. Wir halten uns an diese Tradition und sprechen mit Dr.-Ing. Clemens Weis, der zum 1. November 2020 zum Geschäftsführer der Cideon Software & Services berufen wurde.

Text Ralf Steck ––– Fotografie

Herr Dr. Weis, Sie sind seit knapp 100 Tagen im Amt. Worauf lag Ihr Fokus in dieser Zeit?

Zwei Dinge waren mir zuerst wichtig: die optimale Unterstützung der Prozesskette unserer Kunden und die personelle und organisatorische Aufstellung von Cideon Software & Services. In Sachen Personal und Organisation setze ich die sehr gute Arbeit meines Vorgängers Clemens Voegele fort. Er hat begonnen, die Cideon-Organisation so umzugestalten, dass die Mitarbeiter enger und effizienter zusammenarbeiten. Im Projektgeschäft lassen sich damit personelle Ressourcen optimal planen. Wichtig war mir auch, die neuen Kollegen und ihre individuellen Fähigkeiten kennenzulernen. Das zweite Thema ist die Prozesskette. Wir unterstützen unsere Kunden, effizienter zu werden. Das gilt nicht nur für das Engineering. Wir wollen entlang der Prozesskette unsere Leistungen erweitern. Das startet im Engineering, unserem Kernthema, und geht weiter in die Fertigung und den Service. Unsere vorhandenen Stärken bauen wir Stück für Stück in den neuen Bereichen aus.

Sie kommen von einem Maschinenbauunternehmen, wo Sie die Umsetzung der Digitalisierung verantworteten. Hilft Ihnen diese Erfahrung?

Ich möchte noch einen Schritt zurückgehen. Bereits in meiner Zeit bei SAP Japan habe ich einen guten Einblick in die Cideon-Schnittstellen erhalten – ebenso in die Arbeitsweise und die Produkte des Unternehmens. Bei meinem letzten Arbeitgeber sammelte ich viel Erfahrung, was die Kunden- beziehungsweise Anwendungsseite betrifft. Ein Beispiel dabei ist der Service. Wenn man Maschinen weltweit vertreibt und eine Maschine irgendwo auf der Welt stehen bleibt, will der Kunde schnellstmöglich Hilfe. Um diese Zeiten zu verkürzen, hat Cideon an Remote-Technologien gearbeitet, mit deren Hilfe der Servicetechniker von seinem Standort aus den Monteuren des Kunden hilft, das Problem zu beheben – das oft gar nicht groß ist. Viel Erfahrung genügt, um diese kleinen Probleme zu erkennen und per Fernwartung zu lösen.

Hat Corona die Relevanz von Remote-Technologien erhöht?

Ja, sie gewinnen wesentlich an Brisanz. Reisen sind plötzlich praktisch gar nicht mehr möglich und wir sind gefordert, andere Lösungen zu finden. Hier kann Cideon seine Erfahrung einbringen. Ein elektronischer Ersatzteilkatalog und ein Onlineshop ermöglichen es dem Kunden, schnell die passenden Ersatzteile zu finden und zu bestellen. Eine digitale Verknüpfung der individuellen Maschine mit der Dokumentation sorgt dafür, dass der Servicetechniker beim Kunden stets die richtige, aktuelle und komplette Dokumentation zur Verfügung hat. Es bieten sich neue Geschäftsmodelle an, beispielsweise Service- und Wartungsverträge mit kurzen, garantierten Reaktionszeiten über Remote-Zusammenarbeit.

Unsere Aufgabe bei Cideon ist es, unseren Kunden die Technologie für solche Modelle an die Hand zu geben und gemeinsam mit ihnen umzusetzen. Hier profitieren wir von unserer Fokussierung auf den Mittelstand. KMUs brauchen einfache, effiziente Lösungen. Viele Lösungen auf dem Markt adressieren eher Konzerne und sind so komplex, dass sie sich im Mittelstand kaum umsetzen lassen.

Können Sie Beispiele geben, wie mittelständischen Unternehmen der Start in die Digitalisierung gelingt?

Sie sollten nicht mit komplexen Aufgaben wie Data Lakes, IIoT oder KI beginnen, sondern mit einfacheren Lösungen. So haben die meisten Maschinen schon heute viele Sensoren. In diesem Fall muss nicht gleich eine hochkomplexe, selbstlernende IoTLösung installiert werden. Es reichen im ersten Schritt einfache Alarme, die ausgelöst und eventuell zum Hersteller übertragen werden. Eine Bestandsaufnahme über die Zeit und die Auswertung dieser Daten ist dann der zweite Schritt.

Wichtig ist es, ein sauberes, belastbares Datenfundament zu schaffen, darauf aufbauend einfache Lösungen zu realisieren und dann Schritt für Schritt weiterzugehen. Und zwar in der Geschwindigkeit, wie es das Unternehmen braucht. Viele Lösungen liegen eigentlich auf der Hand, man muss sie nur sehen. Wir können unseren Kunden da zum einen mit unserer Erfahrung unterstützen und zum anderen Lösungen anbieten, beispielsweise, um beim Service automatisch die richtige Dokumentation bereitzustellen.

Was bedeuten diese Trends für Cideon und Ihre Strategie?

Wir erweitern unser Angebot an vielen Stellen, indem wir unsere gewachsene Kompetenz und Erfahrung auf neue Bereiche ausdehnen, beispielsweise in der Beratung. Wir bauen parallel dazu unser Lösungsportfolio aus, indem wir die langjährige und enge Zusammenarbeit mit SAP und Autodesk nutzen, um mit eigenen Softwareangeboten die bestehenden Lösungen abzurunden.

Welche Auswirkungen der Corona-Krise sehen Sie bei Ihren Kunden und bei Cideon selbst?

Die Unternehmen hatten jetzt mehr als ein Jahr Zeit, sich auf die Situation einzustellen, deshalb ist Corona im betrieblichen Ablauf weniger zu spüren. Gerade der mittelständische Maschinenbau hatte schon immer relativ kurze Lieferketten – nicht wegen einer Pandemiegefahr, sondern um schneller reagieren zu können. Zulieferer kommen eher aus Osteuropa statt aus China. Insofern trafen die Lieferunterbrechungen die Branche weniger stark als manch andere, die wochenlang keine Vorprodukte aus Asien bekamen. Wenn ich hier durch das Haus gehe, fallen vor allem die leeren Schulungsräume auf. Diese werden sehr wahrscheinlich nie wieder so voll werden, wie sie einmal waren, denn auch hier sind Abwesenheit und Reisezeiten beziehungsweise -kosten ein Faktor, den Unternehmen gerne minimieren. Online-Schulungen gewinnen an Bedeutung und wir werden dementsprechend mehr und mehr Themen so umstellen, dass Kunden die Schulungen online nutzen können.

Wie blicken Sie auf die weitere Zukunft von Cideon?

Cideon ist heute schon hervorragend aufgestellt. Seit zwei bis drei Jahren befinden wir uns in einem Transformationsprozess zum Systemintegrator, weg von Produkten und hin zu mehr Integration und Beratung. Wir werden den eingeschlagenen Weg konsequent weitergehen. In den nächsten beiden Monaten steht zudem der Umbau der Beratungsorganisation an. In der weiteren Zukunft geht es darum, vom Entwicklungsprozess ausgehend weiteres Intellectual Property aufzubauen und wie beschrieben dem Prozess entlang Know-how und Lösungen aufzubauen. So können wir organisch wachsen und erfolgreich am Markt bestehen.

Herr Dr. Weis, wir danken für das Gespräch.

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