Das Magazin der Friedhelm Loh Group

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Fabriken im Umbruch
Innovation

Die Fertigung in der Energiewende managen

Die Fabriken sind das Herzstück der fertigenden Industrie. Ihre Optimierung zählt zu den wichtigsten Faktoren für den Erfolg der produzierenden Unternehmen – das galt zu Zeiten Henry Fords wie heute. Während sich Anforderungen und Möglichkeiten gewandelt haben, geht es bis heute immer noch um hohe Stückzahl mit möglichst geringen Kosten. Jetzt erfordert die Energiewende einen Umbruch mitten in der Transformation. Fabrikbetreiber müssen die Fertigung zusätzlich nach Energieverfügbarkeit und Preis managen. Wie geht das zusammen? In der Rittal Smart Factory in Haiger arbeiten Fachleute aus mehreren Schwesterunternehmen an der Lösung. Der Hebel zur nötigen Transparenz über alle Prozesse sind Datenräume und ihre Verbindung.

Text Ulrich Sendler, Steffen Maltzan, Dr. Carola Hilbrand ––– Fotografie

Die Industrie hat eine neue, weitere und vielleicht auch größere Herausforderung: Energie. Wenn nicht mehr – wie noch vor wenigen Jahren – jederzeit ausreichend günstige Energie vorhanden ist, wird deutlich: Die Fertigung muss sich künftig nach Verfügbarkeit und Preis von Energie richten. Eigentlich einfach nachzuvollziehen. Aber auch einfach umzusetzen? „Das kommt darauf an, wie transparent und durchgängig die Daten der Anlagen, Produkte und Fertigungsprozesse bereits vorliegen“, so Sebastian Seitz, CEO von Eplan und Cideon, Softwareunternehmen der Friedhelm Loh Group. Energieströme zu messen, reiche nicht. Wer optimieren möchte, brauche hohe Transparenz und müsse die Daten richtig in Kontext setzen. Das gelte für Energieströme wie für Fertigungsprozesse und alle Daten rundherum: „Damit beispielsweise Energieverbräuche von Maschinen und Anlagen überhaupt sinnvolle Erkenntnisse als Messgrößen bringen, müssen sie in den Kontext der Lastprofile gesetzt werden. Vollständig digitale Anlagendaten liefern hierfür einen fundamentalen Baustein“, erklärt Seitz. Um dann die Stellschrauben für Optimierung zu erkennen, braucht es Transparenz über die gesamten Fertigungsprozesse und deren Verbindung mit den Daten aus dem Energie­monitoring.

Das gelingt nur via Smart Production – auch in Haiger. Denn Schaltschränke sind nur scheinbar ein einfaches Massenprodukt. Rund 8.000 von ihnen verlassen täglich das Werk. Die Systemplattform umfasst mehr als 100 Serienvarianten. Zählt man die Sonderanfertigungen hinzu, die Kunden zum Beispiel mit individuellen Ausbrüchen bestellen, steigt die Variantenzahl ins fast Unendliche. Die Fabrik produziert dabei täglich bis zu 18 Terabyte Daten. Sie stammen aus unterschiedlichen Quellen, die für die Transparenz, Flexibilität und Effizienz einer smarten Fertigung in mehreren Daten­räumen verbunden werden müssen.

DATENRÄUME VERBINDEN

Das beginnt bei den Produkten. Zu jedem Werkstück muss ein hochwertiger, vollständiger, digitaler Zwiling vorliegen. Die Informationen dafür kommen aus mehreren Softwarefeldern, wie CAD, PDM/PLM und ERP oder Konfiguratoren. Damit die Daten als digitaler Produktzwilling nutzbar werden, braucht es einen gemeinsamen Datenraum. Die Fachleute von Cideon arbeiten an den Verbindungen und Schnittstellen. Ähnliches gilt für die Anlagen. „Die Prozesse im Steuerungs-, Schaltanlagen- und Maschinenbau können heute schon hochgradig ­digitalisiert und automatisiert werden. Die Fachkräfteknappheit treibt die Entwicklung weiter voran“, sagt Seitz. Eplan und Rittal unterstützen mit abgestimmter Hard- und Software die Prozesse und liefern die Datenraum-Grundlagen für ein Ökosystem der Automatisierung. Das Ergebnis: Beim ersten Strich im Engineering entsteht ein Digitaler Zwilling, der im gemeinsamen Datenraum über den gesamten Prozess wächst und später als digitaler Anlagen-Zwilling in der Fabrik seinen Nutzen entfaltet.

ONCITE DPS führt die vielfältigen Daten in nahezu Echtzeit zusammen und schafft so Transparenz über alle Prozesse.

ONCITE DPS FÜHRT DATEN ZUSAMMEN

In den Datenraum rund um die Fertigungsprozesse fließen zusätzlich noch weitere Datenquellen ein – aus allen Ebenen der Systeme, vom übergeordneten ERP bis von der Basis der Maschinensteuerung (SPS). „In Haiger führt das digitale Produktionssystem ONCITE DPS diese vielfältigen Daten inklusive Prozess-Informationen nahezu in Echtzeit zusammen“, erläutert Bernd Kremer, COO Digital Industrial Solutions bei German Edge Cloud. Das Ergebnis ist Transparenz über alle Prozesse. Informationen aus den Datenräumen von Produkten, Produktionsanlagen und Fertigung zeigen auf Dashboards in den Hallen sehr genau, wo welcher Produktionsschritt gerade in welcher Qualität läuft und wo Eingriffe erforderlich sind. „Das ist ein leistungsfähiges Werkzeug für sofortige manuelle Optimierung. Noch wichtiger: Es ist die Grundlage für immer weiter reichende automatisierte Reaktionen auf plötzliche Zustandsveränderungen in der Fertigung. Ganz oben auf den Treppenstufen zur Smart Production steht die sich vollständig selbststeuernde ‚Lights-out-Factory‘.“

DATENRÄUME ERWEITERN

Und die Energie? „Die offene Architektur des ON­CITE DPS auf Basis von Microservices hat uns geholfen, die Daten des Energiemonitorings ins System zu integrieren, obwohl es eine gänzlich neue Anforderung war. Die Korrelation mit den Daten der anderen Daten­räume schafft nicht nur Transparenz über Energieströme, sondern hilft auch, sie im Kontext der Fertigung zu interpretieren“, erläutert Kremer. Wo entstehen teure Lastspitzen? Erlaubt es der Fertigungsprozess, Maschinen gestaffelt anlaufen zu lassen? Wie wirken sich veränderte Einstellungen und Temperaturen der Lackieranlage auf die Verbräuche aus? Wie hoch ist der Energieeinsatz und damit CO₂-Footprint pro Werkstück? Die Verbindung von Datenräumen kann Antworten liefern. „Das ist die Basis, um bei der Weiterentwicklung Richtung Smart Factory auch den Energieverbrauch als Steuergröße einzuführen und flexibel auf Prognosen zur Energieverfügbarkeit reagieren zu können“, erläutert der Fertigungs- und IIoT-Fachmann. „Ein hoher Digitalisierungsgrad in möglichst vielen Fabriken inklusive Ener­gie- management hilft in Zukunft den Netzbetreibern beim Management der Verteilnetze als Smart Grids.“ Was es dazu braucht? Noch mehr übergreifende Datenräume.

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