Das Magazin der Friedhelm Loh Group

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Der Erste: der Anlagenzwilling
Innovation

Vom Zwilling zur Datendrehscheibe

Eigentlich lag die Lösung schon vor dem Problem auf dem Tisch. Genau genommen 1984. Mit der Elektro-Planungssoftware Eplan war auf einem handelsüblichen PC gerade der erste digitale Schaltplan erstellt worden. Nicht im Silicon Valley, sondern in Langenfeld nahe Düsseldorf. Heute wird der digitale Zwilling zu einer digitalen Drehscheibe in jeder Smart Factory.

Text Ulrich Kläsener, Hans-Robert Koch ––– Fotografie

1. Der Anlagenzwilling

Titelbild: Datendurchgängigkeit der elektrischen Automatisierungsplanung vom Engineering bis zum Bau und Betrieb.

Faktisch handelte es sich beim Eplan-Erstling um eine abgespeckte, eher statische Frühform des digitalen Anlagen­zwillings. Im Rück­spiegel erkennt man es sofort: Der Eplan-Schaltplan fungierte als Quasi-DNA einer neuen Generation des Informations-Handlings. Heute wird der digitale Zwilling der Steuerungs- und Schalt­anlage und damit aller elektro­technischen Komponenten der gesamten Anlage als Time Machine, Wissens­speicher, Simulator und zentrale Daten­dreh­scheibe in jeder Smart Factory hände­ringend benötigt. Wie er über­haupt in die Fabriken und ihre digitalen Öko­systeme gelangt, wie er wächst und nützt, ist schnell erklärt.

Eigentlich muss man nur der Wertschöpfungskette vom Engineering über Bau bis Betrieb und Service der Anlagen folgen. Im Regelfall erstellen externe Konstruktionsbüros oder die Engineering-Abteilungen der Maschinen- und Anlagenbauer in Eplan Electric P8 – ECAD-Standard – den Stromlaufplan mit Stückliste. Die notwendigen Komponenten für die Anlage zieht sich das Engineering aus dem dicksten digitalen Produktkatalog der Branche, dem Eplan Data Portal. Die Auftragsdaten gehen dann an den externen Steuerungs- und Schaltanlagenbauer, der seinerseits mit Eplan Pro Panel das 3D-Modell für die eigene Fertigung entwirft. Ist die Schaltanlage gefertigt, wird auch ihr virtuelles Abbild zurückgespielt: die digitale Schaltplantasche Rittal ePocket.

RITTAL ePocket

Uwe Scharf, Chief Business Unit Officer bei Rittal, erörtert das Handling: „Über einen QR-Code am Schaltschrank können Anwender auf die Anlagendokumentation inklusive digitalem Zwilling in der Eplan Cloud zugreifen.“ Schließlich gehe es im Fertigungsbetrieb und Servicefall um maximale Treffsicherheit bei minimalem Zeitaufwand, ergänzt Sebastian Seitz, Vorsitzender der Geschäftsführung von Eplan und Cideon: „In einer durchgängig in Eplan aufgebauten Dokumentation der Automatisierungs- und Elektrotechnik erkenne ich sofort, was wo ist. Angezeigt werden alle verknüpften elektrotechnischen Verbindungen. Damit ist klar, wo welche Komponenten physisch im Schrank oder an der Maschine verbaut sind.“

Große OEMs wollten genau das: „Sämtliche Maschinen und Anlagen sind in einem einheitlichen Format dokumentiert, um mit minimalem Aufwand Störfälle zu beheben. Da wirkt der Schaltplan wie eine Grammatik.“ Gut zu wissen: Die ePocket lebt! Informationen werden entnommen, Informationen werden im Lebenszyklus der Schaltanlage ebenso neu hinzugefügt, um immer „up to date“ zu sein.

Mehr noch: „In IIoT Use Cases reift die Erkenntnis, dass die digitale Maschinen- und Anlagendokumentation ein zentrales Element ist, um Daten aus Aktoren und Sensoren in Kontext zu stellen. Das wird relevant auf Sicht.“ Perspektivisch wird Rittal ePocket auch mit dem CO2-Footprint der Komponenten angereichert.

DER GROSSE INTEGRATOR

Die integrative Leistung des digitalen Anlagenzwillings ist enorm – von ihm profitieren alle Stakeholder auf ihre Art: das Engineering, der Steuerungs- und Schaltanlagenbau, der Maschinenbau, Fabrikbetreiber und die Servicetechnik. Im Steuerungs- und Schaltanlagenbau liegt der Nutzen auf der Hand.

„Wenn man den Schaltschrank einmal in der digitalen Welt aufgebaut hat und sämtliche Abmessungen kennt und weiß, welche Komponenten wie wo verortet sind, ist es ein Leichtes, eine Montageplatte zu bohren und automatisiert zu bearbeiten, die Verdrahtung, Drahtkonfektionierung et cetera automatisiert anzugehen“, sagt Sebastian Seitz. Uwe Scharf von Rittal bringt hier die Perforex-Serie von Rittal, Bearbeitungszentren für den Schaltanlagenbau, ins Spiel: „Ist das Schaltanlagen-Engineering in Eplan gemacht, erübrigt sich die eigentliche CNC-Programmierung. Eine gigantische Einsparung, weil alle Daten für das CNC-Programm sowieso schon vorhanden sind.“

BLICK IN DIE ZUKUNFT

Das Eplan-Projekt – eine Art schiffbarer, digitaler Informationscontainer – taugt noch zu weit mehr. Sebastian Seitz blickt in die Zukunft: „Aus dem virtuellen Zwilling lassen sich die Maschinen im Steuerungs- und Schaltanlagenbau auch direkt ansteuern. Sehr vielversprechend, wenn das Energiemanagement der Fertigung aktiv übernommen werden soll. Das wird dann akut, wenn sich neue Paradigmen etablieren. Aus ‚Maximaler Output‘ kann ja durchaus werden: ‚Maximaler Output bei geringstem Energieverbrauch‘“. Es gibt gute Gründe für die Steuerungs- und Schaltanlagenbauer, voll auf Digitalisierung zu setzen.

Doch vom Anlagenzwilling profitieren auch die Anlagenbetreiber. Liegen die Daten der Anlagen vollständig vor, hilft es nicht nur bei der Instandhaltung. Sie sind darüber hinaus auch wertvolle Informationsquelle für die Vernetzung beim digitalen Aufbau einer Smart Production.

  • Connecting Ecosystems

    „Die Friedhelm Loh Group ist Partner unserer Kunden in dieser Welt – mit Eplan für das Elektro-Engineering, Rittal für die Systemtechnik und Bearbeitung sowie Cideon für den mechanischen Part des Engineerings“, sagt Markus Asch, CEO von Rittal. Rechnet man dem noch die Kernkompetenz Edge- und Cloud-Lösungen von German Edge Cloud hinzu, entsteht ein konsistentes Big Picture der Möglichkeiten: das Leitbild „Connecting Ecosystems“ – digitalisierte und vernetzte Ökosysteme als Enabler der Smart Factory.

     
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