Das Magazin der Friedhelm Loh Group

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Der Dritte: der Fertigungszwilling
Innovation

Der König der Zwillinge

Optimierungspotenzial durch neue Maschinen? Da rechnen Wirtschaft und Wissenschaft allenfalls mit Prozenten. Bei Prozessen dagegen ist die Rede von Faktoren, die sich verbessern lassen. Das ruft in der dynamischsten Disziplin der digitalen Transformation den König der Digitalzwillinge auf den Plan: den Fertigungszwilling. Mit ihm lassen sich Produktionslinien planen, messen, automatisieren und regeln. Und siehe da: Am Horizont sind Konturen der Smart Factory erkennbar.

Text Ulrich Kläsener, Hans-Robert Koch ––– Fotografie

Das 2022 lancierte ONCITE Digital Production System (DPS) der German Edge Cloud (GEC) ist eine Plattform zum agilen Management der Fertigungsprozesse mit flexibler Software-Architektur. Das Konzept: Im laufenden Anlagenbetrieb werden Stammdaten gegen die Bewegungsdaten aus der Produktion abgeglichen, mit IIoT-Sensordaten gematcht und in Summe analysiert, um von Werkerebene bis Werksleitung fundierte Entscheidungen für mehr Effizienz in den Prozessen ableiten zu können. Damit repräsentiert das ONCITE DPS den Athleten in der Fabrik: den Fertigungszwilling.

Rittal Werk Haiger: Rund 8.000 Kompaktgehäuse werden hier hochautomatisiert pro Tag gefertigt.

500 FABRIKEN DIGITALISIERT

Wer so etwas anpackt, muss Erfahrung haben. Auf „500 durchdigitalisierte Fabriken weltweit“ beziffert Dieter Meuser, CEO Digital Industrial Solutions bei German Edge Cloud, das Anwendungswissen im Hause. „Best in Class“ urteilte im Sommer 2022 auch das Marktanalyse- und Beratungsunternehmen PAC angesichts der Kombination aus Fabrik-Know-how und IT bei GEC. Im Segment „Open Digital Platforms for factory-edge-centric industrial IoT“ sieht PAC neben GEC nur IBM/Red Hat ganz vorn. „Wir freuen uns sehr über den Spitzenplatz“, sagt Dieter Meuser, der genau weiß, dass Smart Factory ohne digitalen Fertigungszwilling nicht funktionieren kann. 

Es ist die intelligenzgetriebene Dynamik, die früher Verborgenes sichtbar macht, indem Device History Record (wie das Produkt produziert worden ist) und Device Master Record (wie das Produkt zu produzieren ist) übereinandergelegt werden. Markus Asch, CEO Rittal International und Rittal Software Systems, pflichtet bei: „Fertigungsprozesse sind nur dann maximal effizient, wenn sie möglichst transparent abbildbar sind. Für die Fähigkeit, nach dem Prinzip ‚Losgröße 1‘ fertigen zu können, muss die Datentiefe noch weiter steigen. Vor allem muss ein wirklich individueller Datensatz jedes einzelne Produkt begleiten.

Das ist neben agilen Software-Systemen die notwendige Basis, um in letzter Konsequenz dann auch ein IIoT-gestütztes Produktionsmanagement leisten zu können – und so wirklich ‚smart‘ zu werden. “Deswegen zieht sich das ONCITE DPS Primärdaten wie die Bill of Material und extrahierte Arbeitspläne aus den ERP-Systemen sowie weitere Detailinformationen aus dem PLM, MES und Scada.

Das ONCITE DPS unterstützt die Vernetzung von Anlagen, die Visualisierung von Prozessen sowie Anwendungen von Track & Trace bis hin zum agilen, IIoT-gestützten Fertigungsmanagement. Die Software-Services können parallel zu bestehenden IT/OT-Infrastrukturen eingesetzt und in verschiedenen Umgebungen betrieben werden. Möglich ist eine stufenweise Migration der bereits existierenden MES/PCS/Scada auf ONCITE.

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Als Option für Hardware setzt GEC u. a. auf hoch skalierbare Factory-Edge-Infra-struktur direkt am Shopfloor. Das bedeutet schnelle Reaktionsfähigkeit mit kurzer Latenz, geringe Belastung des Netzwerks durch Datenströme und hohe Datensouveränität. Stichwort UX und Usability: Weil GEC das ONCITE DPS nach dem Best-of-Breed-Ansatz aufgebaut hat – unabhängige Best-of-Softwaretools für jede einzelne Aufgabe auf einer flexiblen Plattform –, überrascht die neue Partnerschaft mit Scheer wenig. Scheer PAS hat eine führende Plattform entwickelt, über die sich Geschäftsprozesse und -modelle in allen Unternehmensbereichen grafisch vom Anwender selbst zusammenklicken lassen.

So lässt sich die Fertigung von den ersten Digitalisierungsschritten bis hin zur digitalen Produktionsorchestrierung effizient betreiben. Dieter Meuser: „Das System ist dabei die Datendrehscheibe und bringt Flexibilität für IIoT-Anwendungen ein.“

Angeboten werden dafür nicht selten standardisierte Modul-Baukästen. Solche Konzepte, die ohne text­­basierte Programmier­­sprachen auskommen, firmieren unter No-Code oder Low-Code. Dass diesem Ansatz in Zeiten hoher Änderungs­­geschwindigkeit die Zukunft gehört, steht für Dieter Meuser außer Frage: „Schon bei Inbetrieb­­nahmen sind dadurch bis zu 70 Prozent geringere Aufwände möglich. Die Fähigkeit, Software-Lösungen für die eigenen Anforderungen selbst anzupassen und auf Veränderungen reagieren zu können, ist von entscheidender Bedeutung für den Erfolg von Unternehmen.“

  • Digitaler Zwilling im Werk Haiger

    Wie GEC eine Smart Factory mit dem digitalen Zwilling der Fertigung jeden Tag ein Stück besser macht, zeigt sich im Rittal Werk Haiger.

    In einer der modernsten Schaltschrank-Fertigungs­­anlagen der Welt werden mit mehr als 250 vernetzten Hightech-Maschinen und Anlagen­­komponenten auf 24.000 Quadrat­­metern hochautomatisiert rund 8.000 AX Kompakt­­schalt­­schränke und KX Klein­­gehäuse pro Tag gefertigt. Die Data-Analytics-Lösung für die Produktionslinien basiert auf dem GEC-Kernprodukt ONCITE DPS. Die integrierte Plattform, die auch das 3D-Modell der Produktion vorhält, fungiert als zentrale Daten­­dreh­­scheibe, sammelt die massen­­haft anfallenden Daten der verschiedensten Sensoriken ein, harmonisiert sie und stellt sie in einem Kreis­­lauf von Analytics, Alerts und Live-Dash­­boarding zur Verfügung. Mit der Lern­­kurve steigt die Produktivität an, und je mehr man über die Zukunft weiß, desto schlüssiger und effektiver werden dann eben auch Predictive-Maintenance-Szenarien.

     

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